Maria Estrella Samonte. Wie alt sie ist
– Maria weiß es nicht genau. Wie man die Welt mit
zwei Augen sieht – Maria weiß es nicht. Doch dass sie
anders ist als die anderen aus ihrer
Ureinwohner-Gemeinschaft irgendwo im Urwald der
Philippinen-Insel Luzon, das weiß Maria genau. Und es
tut weh…
Denn aus Marias Stirn wuchert eine „dritte
Brust“. Ein riesiger, 250 Gramm schwerer Hautsack.
Geformt wie eine weibliche Brust, gefüllt mit Gewebe
und Hirnwasser. Ein medizinisches Phänomen – doch für
Maria eine Bürde.
Direkt nach ihrer Geburt, damals, vor vielleicht 49
Jahren, rannte Marias Vater bei ihrem Anblick aus dem
Haus. Als Maria wuchs und damit ihre „dritte Brust“,
stellte ihr Vater sie auf Jahrmärkten aus. Gegen Bares.
Als die Eltern starben, kam Maria zur Familie ihres
Bruders Danilo. Schlief wie die anderen in der Holzhütte
auf dem Boden, kochte und putzte. Von Ehemann und
Kindern aber konnte Maria nur träumen. Denn wer nimmt
schon „so eine“ zur Frau.
Doch Maria hatte riesiges Glück: Im letzten Dezember
kam Carmen Rössel-Dapilos zu den Ureinwohnern nach
Luzon. Die Krankenschwester aus Bergisch Gladbach
organisiert Hilfsprojekte auf den Philippinen, traf zufällig
auf Maria. Freundete sich mit ihr an, fotografierte sie.
„Die Bilder wollte ich meinem Chef im Krankenhaus
zeigen“, sagte sie.
Wieder in Deutschland, gab Carmen Rössel-Dapilos die
Fotos Gynäkologie-Professor Dr. Bernhard Liedtke vom
Evangelischen Krankenhaus Bergisch Gladbach.
Sein erster Gedanke: „Das ist eine dritte Brust –
kann aber eigentlich keine sein.“ Denn im Kopf
gibt‘s keine Milchleiste. Zweite Möglichkeit: ein
gutartiger Tumor der Haut. Mehr verrieten die Fotos
nicht. Daher der Entschluss: Wir holen sie her. Im Mai
stieg Maria, die bis dahin noch nicht einmal in einem
Auto gefahren war, in den Flieger. Mit Carmen Rössel-Dapilos
flog sie nach Deutschland. Zu ihrem neuen Gesicht …
Doch in Bergisch Gladbach konnten Prof.
Liedtke und seine Kollegen nach ersten Untersuchungen
nicht viel tun.
Die Kernspin-Tomographie, die im Evangelischen
Krankenhaus Bergisch Gladbach gemacht wurde, ergab den
eindeutigen Befund: Es ist eine Meningozele, entstanden
durch ein Loch im Schädel. Ein Fall für den
Neurochirurgen.
Liedtke kontaktierte Prof. Dr. Jürgen Menzel, Chef
der Neurochirurgie im Klinikum Köln-Merheim. Menzel
stellte fest: „OP kein Problem. Aber eine technische
Herausforderung.“
Mit seinem Kollegen Prof. Dr. Dr. Gerald Spilker,
Chef der plastischen Chirurgie Merheim, operierte er
Maria am vorletzten Donnerstag 12 Stunden lang –
kostenlos! Zuerst wurde Muskelgewebe aus ihrem Bein
entnommen, dann der Schädel an der Stirnseite geöffnet.
Von innen wurde hinter das Loch zwischen den Stirnbeinen
das Beingewebe wie ein „Flicken“ eingesetzt, dann
der Hautsack entfernt. Prof. Spilker richtete Marias
Augenpartie – ihr rechtes Auge war durch die
„Brust“ verdeckt und plattgedrückt.
Als die tapfere Maria aus der Narkose erwacht und
sich zum ersten Mal betrachtet, ist sie sprachlos. Erst
einige Zeit später begreift sie, lächelt und murmelt:
„Wunderschön …“
Jetzt liegt sie auf Station, jeden Tag geht es ihr
ein bisschen besser. Wenn Maria im September in ihre
Heimat zurückfliegt, wird sie schon ein bisschen
schreiben können. Wird wissen, wie man Schuhe trägt
und was ein Fernseher ist. Sie wird viel mehr wissen als
all die anderen ihres Stammes. Und sie wird dann
wirklich eine von ihnen sein – denn ihren Makel, den
hat sie in Deutschland gelassen.
Über Marias Geschichte berichtet auch RTL extra
(Montag, 8. Juli, 22.15 Uhr).