UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

13. November 2001

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Tote leben länger - im Telefonbuch

Zum ersten Mal stutzte ich, als ein Kürtener Geschäftsmann sich damit brüstete, er habe meine Telefonnummer herausgekriegt. Das sei ja so schwierig gewesen. „Warum haben Sie nicht einfach ins Telefonbuch geschaut“, meinte ich. Und dann stutzte ich zum zweiten Mal. Das habe er, versicherte der Händler. Aber da stünde ich ja nicht drin. Die Auskunft kenne mich auch nicht.

Tatsächlich. Wie oft ich das Telefonbuchblatt auch ungläubig drehte und wendete: Ich stand nicht drin. Besser gesagt: nicht mehr. Nach 17 Jahren Kreisbürgerschaft einfach ausradiert. Aus dem Kommunikationsmedium herausgelöscht. Ins Abseits gedrängt.

Von wem? Mit welchem Recht? Solche Fragen verhallten in der mit freundlichen Mitarbeitern besetzten Telefonbuchwelt. Im nächsten Telefonbuch sei ich aber wieder drin, versprochen. So in einem knappen Jahr ...

Kein Einzelfall. Eine Zeit lang war der Hoteldirektor von Schloss Lerbach genervt, weil Leute, die ein Zimmer reservieren wollten, sein Handy anwählten. Ein Versehen.

Derzeit ist Pfarrer Thomas Werner von der evangelischen Gnadenkirche stocksauer. Sein Name, seine Telefonnummer sowie die Rufnummer des Gemeindebüros sind im aktuellen Telefonbuch plötzlich aus der chronologischen Abfolge der Bergisch Gladbacher Pfarrbezirke verschwunden. Der Pfarrbezirk 1 Stadtmitte wirkt im Telefonbuch verwaist, nur die Küster-Rufnummer ist der Löschattacke entgangen.

Allerdings: Wer viel Zeit und Kreativität beim Rufnummern-Roulette beweist, wird belohnt. Denn ziemlich am Ende der evangelischen Kirchen und Einrichtungen finden sich ganz unvermittelt und jenseits jeder Normaltelefoniererlogik Pfarrer Werner und sein Gemeindebüro wieder.

Ganz anders der Fall eines Kürteners. Mir lief gestern ein Schauer über den Rücken, als mein Blick per Zufall an seinem Namen hängen blieb. Der Typ ist ja schon jahrelang tot! Und weil er Single war, kann auch keine Ehefrau den Namen aus Nostalgiegründen im Telefonbuch konservieren. Eine Handynummer war angegeben. Ich wählte. „Versuchen Sie es später noch einmal“, riet die eiserne Minna. „Ihr gewünschter Gesprächsteilnehmer ist zur Zeit nicht erreichbar.“

Das Telefonbuch macht's möglich: Tote leben länger. Und Lebende sind für die Telekom bisweilen gestorben. Nur nicht aufgeben im Telefonbuch-Dschungel. Sie stehen heute nicht drin? Versuchen Sie es später noch einmal.

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