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Journalistin

 

Freitag, 2. August 2002
   

  

Besucher vom Duft begeistert

Von Ute Glaser

Das Papiermuseum Alte Dombach in Bergisch Gladbach lockt als Ausflugsziel auch mit einem historischen Bauerngarten.
Unterm Dach des alten Stallgebäudes riecht es nach Heu. Zur "landwirtschaftlichen Abteilung" des Papiermuseums Alte Dombach klettern die Besucher nicht mehr über eine hölzerne Leiter hinauf, sondern über eine moderne Feuerleiter aus Metall.

Und drunten im Stall sind statt der Tiere inzwischen Toiletten untergebracht. Heu und Stroh sind feuerfest imprägniert und sozusagen das i-Tüpfelchen der Abteilung, die den Jahresablauf der bäuerlichen Arbeiten lebendig werden lässt. Die Besucher bekommen ein Gefühl für die Jahreszeiten vermittelt durch Fotos, landwirtschaftliche Gerätschaften, kurze, erläuternde Texte und eine interessante Lichtführung. "Gerade die großen Fotos finde ich so schön", sagt Museumsleiterin Dr. Sabine Schachtner. Sie geben dem Raum in dem 1927 errichteten Fachwerkgebäude Atmosphäre.

Interessanter Mix aus Objekten und Worten.

Konzipiert hat die Dauerausstellung der Gladbacher Archäologe und Geograf Dr. Rolf Bauche. Er sorgte für den interessanten Mix aus Objekten und Worten. So findet sich beim Winter das Spinnrad, weil in der kalten Jahreszeit viel gesponnen wurde. Zudem eine Gesindetruhe, weil die Winterszeit für Knechte und Mägde die bevorzugte Zeit des Stellenwechsels war. Den Bienenkorb beim Sommer werden viele kennen, den Dreschflegel beim Herbst ebenfalls. Aber wofür ist der flache Korb gut, der den Frühling illustriert? "Das ist ein Wannkorb", erläutert die Museumschefin. "Damit wirft man das Saatgut hoch. Die Spreu wird dann vom Wind weggetragen." Die Schildchen, die die Ausstellungsstücke erläutern, sind noch im Druck.

Warum eine landwirtschaftliche Abteilung im Papiermuseum? Sabine Schachtner erklärt, dass die Papierfabrikanten früher immer auch Gutsbesitzer waren. Sie bauten nicht nur Hanf für die Papierherstellung an, sondern auch vieles andere, das den täglichen Bedarf deckte. Knechte und Mägde bewirtschafteten das Gelände. An Drehtafeln können die Besucher im wahrsten Sinn des Wortes die bäuerlichen Arbeiten an sich vorüberziehen lassen, die das Leben von anno dazumal gliederten. Texte aus dem Stadtarchiv Bergisch Gladbach machen zudem deutlich, wie stark die Menschen vom Wetter abhängig waren. So ist von "zerstörerischer Dürre" die Rede, mal von zu viel Regen. Und dass Schnecken eine Plage sein konnten, beweist die Notiz aus dem Oktober 1845: "Die Wintersaaten stehen schön, mit Ausnahme einiger nasser und abhängiger Felder, wo die Ackerschnecke den jungen Pflanzen Schaden zugefügt hat."

Die Nachfahren dieser Schnecken machen heute Wilhelm Frings und Lilo Rühl zu schaffen. Der Gladbacher Rentner und die Leverkusener Frau aus der Werbebranche bewirtschaften je eine Hälfte des Bauerngartens, der nach historischem Vorbild im Herzen des Museumsgeländes entstanden ist. Gärten gehören zum Museum wie das Mühlrad Er ist sozusagen ein Anschauungsgelände, das die landwirtschaftliche Abteilung "Open Air" ergänzt - etwa 500 Quadratmeter groß. Zur Bedeutung sagt Annette Schrick, wissenschaftliche Museumsreferentin: "Die Gärten gehören zum Museum genauso dazu wie das Mühlrad." Es gebe sie so lange, wie es Wohnhäuser in der Alten Dombach gebe. Zuletzt hätten die Ausländerfamilien, die dort bis in die 80er-Jahre lebten, geackert. Früher gehörte das Gartenland den Papierfabrikanten, die es den Papiermacherfamilien zur Nutzung überließen - zusätzlich zum Lohn, gewissermaßen als Naturalienentgelt. Oft wurde dann ein Garten von einer Familie über Generationen hinweg bewirtschaftet. Pachtverträge gibt es darüber allerdings keine, es genügten offenbar mündliche Absprachen.

Darin folgt Museumschefin Sabine Schachtner dem historischen Vorbild: Wilhelm Frings und Lilo Rühl arbeiten und ernten seit dem Frühjahr 2000 ohne Vertrag. Nur das Wort gilt. Und die Einsicht. Denn klar ist, dass die Gärten ins Museumskonzept passen müssen. "Es darf kein Schrebergarten sein. Es gibt keine Gartenlaube, keinen Grill", sagt Lilo Rühl. Zudem ist die Arbeit rein ehrenamtlich. Das Areal zum Blickfang des Museums zu machen, bringt keinen Pfennig. Bis auf Zaun, Gartenbank und Pumpe mit Wassertank zahlten die Hobbygärtner auch alles selbst. Als Lohn winken höchstens Ehre und Ernte - wenn Vögel und Schnecken nicht schneller waren. Während auf der Hälfte von Wilhelm Frings gängige Beerensträucher, Gemüsearten und Kartoffelsorten wie "Celina" oder "Hansa" gedeihen, hat Lilo Rühl eine Vorliebe für alte und fast in Vergessenheit geratene Pflanzen. Da wächst die alte Gemüsesorte Melde, dem Mangold ähnlich, neben Pflücksalat und Kürbis.

Nur kleines Beet bereitet graue Haare

Und es grünt Hirschhornwegerich. "Als Salat sehr würzig, sehr lecker." Die angepflanzten Kartoffeln sind ausgesuchte, fast ausgestorbene Sorten, zum Beispiel "Bamberger Hörnchen". Hinzu kommen alte Kräuter wie Liebstöckel, Melisse und Koriander. "Da fragen die Leute oft, was so toll duftet." Vom Basilikum gibt es fünf Sorten, zudem Rauke, Sauerampfer und andere Köstlichkeiten. Im Blumengarten gedeihen Jakobsleitern, Glockenblumen und Arnika. "Ich liebe historische Rosen, Bauernblumen und Pfingstrosen."

Während der Bauerngarten der Museumsleitung nur Freude macht, bekommt sie fast graue Haare wegen eines kleinen Beets am Pflanzenlehrpfad: Dort grünt Hanf, ein wichtiger Papier-Rohstoff früherer Zeiten. Obwohl die Cannabis-Pflänzchen keine berauschenden Substanzen enthalten, füllen Vorschriften, streng geregelter Samen-Einkauf und Vorschrift mäßiges Entsorgen des herangereiften Grünzeugs einen Aktenordner. Über das höchstens sechs Quadratmeter große Beet existiert ein reger Briefwechsel mit der Bundesopiumstelle. Wenn das die alten Papiermacher gewusst hätten.

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