UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

19. Juni 2002

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Mit Gesang- und Gesetzbuch

Er ist im Kreisgebiet verwurzelt als engagierter Pastor, Berufsberater und Schiedsmann. Doch im Juli sagt der 64-Jährige Tschüss - und zieht an die Nordsee.

Kürten / Bergisch Gladbach - „Gut dass meine Frau nicht sieht, dass ich Sie rein lasse“, sagt Dieter Albertsmeier schmunzelnd: Im Wohnzimmer herrscht Kisten-Chaos. Er packt, um Ende Juni die Haustür in Bechen endgültig abzuschließen und an der Nordsee einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Äußerer Anlass ist die Pensionierung, das Motiv ist die Gesundheit seiner Frau Mona.

Der Mann mit den zwei Berufen und vielen Ehrenämtern packt die Vergangenheit ein: 30 Jahre war er beim Arbeitsamt Bergisch Gladbach als Berufsberater für Abiturienten und Hochschüler tätig. Noch länger ist Albertsmeier Pastor. Denn nach der Schule hatte der gebürtige Essener zunächst ein Theologiestudium absolviert, anschließend sein Vikariat - unter anderem in Wipperfürth. Doch als Pfarrer arbeitete er nur kurze Zeit. Er tauschte die Kirche gegen den Staat als Arbeitgeber.

Seiner christlichen Überzeugung blieb der evangelische Geistliche treu: bei Gottesdiensten auf den Kanzeln der Amtsbrüder und bei vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten. Verschrieben hat sich Albertsmeier vor allem der Annährung der Konfessionen. „Ich bin Ökumeniker aus Überzeugung und mit Herzblut“, sagt er. Er gilt als Motor der Ökumene im Rheinisch-Bergischen Kreis - mit seinem katholischen Pendant Hans Hausdörfer.

Geschwisterlichkeit

„Die großen theologischen Fragen werden nicht im Rheinisch-Bergischen Kreis entschieden, aber wir können Geschwisterlichkeit praktizieren“, sagt Albertsmeier, der unter anderem die Kölner Ökumenischen Brückenwege mitgestaltete und den 1. Ökumenischen Taufgedächtnisgottesdienst im Kölner Dom plante. „Diese Annährung geschieht hier mit solch einer Wärme.“

Als Albertsmeier 1994 den ersten Regionalen Kirchentag in Altenberg erfolgreich organisierte, war das für ihn der Auftakt zu etlichen kirchlichen Ehrenämtern. Seither ist er Synodalbeauftragter für Ökumene im rheinisch-bergischen Teil des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und Vorstandsmitglied des Ökumeneausschusses Rheinisch-Bergischer Kreis - derzeit als Pressereferent. Zudem ist er der evangelische Vorsitzende des „Evangelisch-Katholischen Arbeitskreises für Ökumene im Stadtbereich Köln“. Von all diesen Funktionen und Aufgaben heißt es nun für den 64-Jährigen Abschied nehmen.

Doch nicht nur im Gesang-, sondern auch im Gesetzbuch kennt sich der Pastor aus: 15 Jahre engagierte er sich in seiner Freizeit auch als Schiedsmann der Gemeinde Kürten. Er, der vor 18 Jahren nach Bechen zog, hörte zu, vermittelte, schlichtete und ging bisweilen auch unkonventionelle Wege, um die Menschen miteinander zu versöhnen. „Man muss da gucken, ob das, was man am Sonntag predigt, auch im Alltag trägt“, sagt Albertsmeier.

Anekdoten gibt es da zuhauf. Am liebsten erzählt Albertsmeier aber die Geschichte von dem Liss. Der Schlichtungstermin ist für ihn unvergessen: „Es stank im Rathaus nach Schnaps.“ Was war passiert? Dat Liss war sauer darüber, dass ihr Nachbar sie nicht zum Geburtstag eingeladen hatte, obwohl sie extra ihren Urlaub um einen Tag verschoben, den Frisör besucht und eine Drei-Liter-Flasche Cognac eingepackt hatte. Nachts, als der Schäng nach der Feier an ihren Gartenzaun urinierte, beschimpfte sie den Treulosen und zeigte ihn wegen Exhibitionismus an. Dann fuhr sie in Urlaub.

Nach der Rückkehr klingelte der Schäng bei ihr mit einer Flasche Doppelkorn. Er habe dat Liss nur nicht eingeladen, weil er dachte, sie sei schon fott, in Urlaub. „Gegen 11 Uhr fingen sie an, sich zu versöhnen“, erzählt der Schiedsmann, der sein Amt Ende Juli niederlegt. „Gegen 17 Uhr hörte man nichts mehr.“ Beide waren völlig blau am Küchentisch eingeschlafen - und fingen am Morgen des Schlichtungstermins gleich wieder an. „Sie empfingen mich mit den Worten, es sei alles erledigt. Sie wollten weiter feiern und ich wurde eingeladen.“

Der Abschied von all dem fällt dem Gottesmann und Staatsdiener nicht leicht, der Tiere, den Karneval, seine Modelleisenbahn und die PC-Arbeit liebt. „Ich bin hier in einem Netzwerk guter Kontakte. Das ist eine Verwurzelung, die gibt man nicht gerne auf, das tut auch weh. Aber die Gesundheit meiner Frau ist mir wichtiger.“ Auch den Kirchen fällt der Abschied schwer. Denn Albertsmeier ist ein Macher, jemand, der nicht nur redet, sondern bei dem auch etwas herauskommen muss.

Wie die Kirche in der heutigen Zeit „überleben“ kann? Albertsmeier seufzt: „Dem lieben Gott muss eigentlich das Herz bluten, wenn er sieht, wie jeder seinen eigenen Driss macht. Wir müssen zurück zur Einheit. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens überhaupt nur für andere deutlich wird, wenn alle Christen an einem Strick ziehen.“ Deshalb wird er eine Sache nicht aufgeben: die Betreuung der fünf ökumenischen Internetseiten, die er eingerichtet hat. Die pflegt er auch an der Nordsee weiter.

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