UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

14. Oktober 2002

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Beitrag innerhalb der Serie "Made in Rhein-Berg"

Herzschlag für antike Uhren

Im Reich von Hartmut Last gehen die Uhren nicht anders, sondern ganz präzise. Der Gladbacher ist Spezialist für Kauf, Verkauf, Reparatur und Beratung. Sein Laden hat fast Museumscharakter.

Bergisch Gladbach - Es ist paradox: Die Zeit scheint still zu stehen für den, der bei „Big Ben“ eintritt, obwohl -zig Uhren an den Wänden deutlich zeigen, wie Minute für Minute verrinnt. Doch die Tür, die hinter dem Rücken der Besucher ins Schloss fällt, sperrt die hektische und oft laute Wirklichkeit aus. Es bleibt das gleichmäßige Ticken vieler wunderschöner antiker Uhren, die Ruhe und den Geist vergangener Zeiten verströmen. Irgendwo dazwischen taucht dann das Gesicht von Hartmut Last auf. Er ist weniger Chef, mehr Liebhaber, fast ein Vater all der Schätzchen, die er in der Gladbacher Grünen Ladenstraße um sich versammelt hat.

Alle Uhren gehen - und alle auf ihre Weise. Von der Taschenuhr bis zur Standuhr tickt jedes Stück anders. Dazwischen schlägt manches Modell zur halben und vollen Stunde, sogar ein Kuckuck mischt sich dazwischen. Das Auge sieht nur Originale, 100 bis 250 Jahre sind sie alt. Sie stammen aus allen Epochen, nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Frankreich, Österreich und England. Englische Tischuhren, Wiener Gewichtsregulatoren und französische Pendulen füllen Wände und Regale. Auch Schmuckstücke aus der Region sind dabei, der „bergische Kopf“ zum Beispiel oder die fantastische Arbeit des Johann Wilhelm Wüsthoff aus Wermelskirchen, der 1793 eine Standuhr aus Kirschholz fertigte, die heute das wertvollste Stück bei „Big Ben“ ist.

Der Laden ist ein Unikat weit und breit. Das liegt nicht nur an dem hochwertigen und umfassenden Sortiment, sondern auch an der sachkundigen Beratung und der Möglichkeit, dort antike Uhrwerke und Gehäuse aufarbeiten oder reparieren zu lassen. Hartmut Last, der vor einem knappen Jahr „Big Ben“ eröffnete, ist ein Allrounder in Sachen Antikuhren. Und das als Selfmademan. Denn eigentlich ist der 45-jährige Gladbacher Maschinenbaumeister. 23 Jahre arbeitete er bei Siemens. Als die Firma ihm wegen der wirtschaftlichen Entwicklung einen Auflösungsvertrag schmackhaft machte, hatte er es in einem Punkt besser als mancher Kollege: Er hatte ein Hobby, und das machte er zum Beruf. Den Sprung in die Selbstständigkeit hätte Hartmut Last sich vor 21 Jahren nicht träumen lassen, als er erstmals mit antiken Uhren in Berührung kam. Damals bat ihn sein Vorgesetzter, der sein feinmotorisches Geschick erkannte, ein Stück aus seiner Uhrensammlung zu reparieren. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich Last an die Begegnung mit den wertvollen Chronometern. Vor allem die Wiener Gewichtsregulatoren gefielen ihm. „Diese Uhren sind wahnsinnig schön.“ Die handwerkliche Kunst faszinierte ihn. „Das berauschte mich als Techniker regelrecht.“ Und so begann er als 24-Jähriger, zu einer Zeit, als Quartz-Uhren modern wurden, nach antiken Zeitmessern Ausschau zu halten. Er startete aus Geldmangel mit einem Uhrwerk, für das er das Gehäuse nachbaute. Später reparierte, restaurierte und verkaufte er alte Stücke und steckte alle Erlöse in neue alte Schätzchen. Als Autodidakt vervollkommnete er sich ständig durch „learning by doing“. Inzwischen besitzt der Familienvater von zwei Töchtern etwa 100 antike Uhren, von denen er 70 bei Big Ben ausgestellt hat. „Alles Originale.“

Seinen Traum vom Wiener Gewichtsregulator hat er sich sechsfach erfüllt. Und statt am Wohnzimmertisch oder im Keller zu arbeiten, kann er nun in der Werkstatt seines Ladens wirken. Mit Pinzetten, feinen Schraubendrehern und Zangen hantiert er, Wattestäbchen dienen zum Polieren, alte Käsedosen zum Sortieren, und mit kleinen Reibahlen setzt der Uhren-Spezialist neue Lager - manchmal nur einen Millimeter klein. Weiße Baumwoll-Laborhandschuhe sorgen dafür, dass die guten Stücke frei von Fingerabdrücken bleiben. „Aber das wichtigste Werkzeug ist die Liebe zu der Uhr, auch der feste Wille, das Problem zu meistern“, sagt Last, der bisweilen stundenlang darüber brütet, wie ein alter Zeitmesser wieder gehen kann. „Durchhalten“ sei eine wichtige Devise, gepaart mit dem Spaß an der Sache. Zufrieden ist der Uhren-Freund erst dann, wenn das alte Teil so aufgearbeitet ist, dass Laien es glatt für neu halten könnten. Die Öffnungszeiten von „Big Ben“ sind begrenzt, denn zum Restaurieren und Reparieren braucht Last oft absolute Ruhe. Montags ist zudem sein Einkaufs- und Kontakttag. Dann fährt er im Schnitt 500 Kilometer, um sein Sortiment weiter auszubauen, das durch die ausführlichen Beschriftungen fast musealen Charakter gewinnt.

Dass jede Uhr zu jeder Zeit geht, ist selbstverständlich, allerdings zeitaufwändig: Zweieinhalb Stunden dauert es, bis der Chef alle seine Lieblinge aus Bronze, Mahagoni, Palisander, Kirsche und vergoldeten Materialien aufgezogen hat. Jeden Dienstag. Wieso er ihrem Zuhause den Namen „Big Ben“ gegeben hat? Last schmunzelt und erzählt, dass er vor 21 Jahren in London ein kleines Uhrengeschäft gesehen habe. „So ein Geschäft hätte ich auch mal gern“, habe er damals gedacht und es stets als Vision mit sich getragen. „Es hieß Big Ben.“

Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag und Freitag 14 bis 18 Uhr, Mittwoch und Samstag 10 bis 14 Uhr, Montag nach Vereinbarung, 02202 / 18 95 68

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