UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

Donnerstag, 21. Dezember 2006

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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Sing-Service

Die moderne Version des Klingelmännchens ist das Telefon-Klingelmännchen. Natürlich, es ist nicht erlaubt, aber ein harmloser Spaß, den sogar mein tugendhafter Vater schon trieb, als Telefone noch eine Rarität waren. Gern erzählte er mir früher am Mittagstisch von dem Mann, der sich mit „Hier Zietz!“ meldete und von ihm dann fix den Rat erhielt: „Dann machen Sie doch das Fenster zu!“ In jungen Jahren habe ich bisweilen auch solche Späßchen gemacht, und mit mir und meiner Familie wurden sie wohl auch getrieben, denn es gab in Anbetracht unseres Nachnamens diverse Variationen von „Setzen Sie auch Scheiben ein?“

Natürlich wollte ich als Mutter - vorbildlich - meiner Tochter solches Telefon-Treiben untersagen. Ich wies sie auf Belästigung, Mittagsruhe und Ähnliches hin. Doch sie und ihre Freundin konterten irritiert: „Wir machen doch nichts Blödes. Wir machen einen Sing-Service!“ Kurz darauf hörte ich, die ich die Zahl der Anrufe auf drei begrenzt hatte, ein fröhliches „Hier ist der Sing-Service“. Und dann schmetterten die Mädchen voll Inbrunst „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ in den Telefonhörer. Pause. Gekicher. Dann ein schnelles „Frohe Weihnachten!“ - und Schluss. Jubel. Das wiederholte sich mit „O Tannenbaum“ und „Schneeflöckchen, Weißröckchen“. Dann stand meine Tochter plötzlich freudestrahlend neben mir. „Mama, da hat eine Frau gesagt: Das ist ja so eine schöne Überraschung. Könnt ihr noch etwas singen?“ Das hatten sie selbstredend gekonnt und sich so ein großes Dankeschön eingehandelt. Vielleicht eine Rentnerin? Eine einsame Person? Ich war plötzlich froh, dass es den Sing-Service gab.
UTE GLASER

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