Samstag, 25. März 2006
Zeit-DiebMeine Tochter gab mir aufgeregt das Telefon. „Mama“, flüsterte sie,
„da ist jemand aus dem Ausland!“ Meine Neugier wich Ärger, als ich die Männerstimme
mit italienischem Jargon hörte. Die kannte ich. Wie früher bot sie mir tolle
Weine - alles Sonderpreise! - an, während im Hintergrund Stimmengewirr den
Eindruck schürte, der Mensch sitze im Großraumbüro. „Wir brauchen keinen
Wein!“ blaffte ich den Mann an, was ihn nahtlos andere Delikatessen aus Bella
Italia anbieten ließ. Sonderpreise, logo. „Ich kaufe nichts!“ Der Typ war
nicht zu stoppen. „Ich habe kein Geld!“ Wütend wollte ich das I-Tüpfelchen
mit „Wir sind alle arbeitslos“ aufsetzen, als mich die ängstlichen Augen
meiner Tochter bremsten. „Rufen Sie nie wieder an!“ Ich drückte auf
„Aus“ just, als der Typ einen günstigeren Telefon-Termin verlangte. Mir
wurde plötzlich bewusst, wie viel Lebenszeit mir aufdringliche Anrufer mehrfach
die Woche stehlen. Von wegen Italiener! Vermutlich war es ein Deutscher mit
Italo-Sprachkurs, der in Köln-Nippes sitzt, mutterseelenallein, und das
Stimmengewirr läuft vom Band. Ein moderner Wegelagerer im Telefonnetz, ein
Zeit-Dieb.
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