UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

1. Mai 2003

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

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"Neinsagen ist nicht so schwer"

Der Verein Prävent übte mit der Gruppe der „Maxis“ in der Kindertagesstätte St. Margareta das Ja- und Neinsagen.

Kürten-Olpe - Gebannt hören die „Maxis“ die Geschichte von Julia, die im ersten Schuljahr ist, mit dem Fahrrad zur Schule fährt und auf dem Nachhauseweg von einem Autofahrer angesprochen wird. „Was meint ihr, wie fühlt sich da die Julia?“ fragt Sonja Larisch (20) die Fünf- und Sechsjährigen.

„Ängstlich“ sei sie wohl, meint ein Mädchen. „Vielleicht nimmt der die mit“, mutmaßt der Junge neben ihr. „Oder entführt die!“ Sonja Larisch nickt. „Was würdet ihr denn machen?“ Die Antworten kommen prompt: „Weitergehen.“ „Nicht antworten.“ „Nicht hingucken.“ Die Trainerin des Vereins Prävent, die einen Nachmittag lang die I-Dötzchen in spe auf Bitte der Kita schult, hat noch einen anderen Vorschlag: „Sagt nein! Neinsagen ist gar nicht so schwer.“ Und um es gleich zu üben, sollen die Pänz aufstehen, einen Kreis bilden und ihrem Nachbarn ein lautes „Nein!“ entgegenschleudern. „Dabei gucken wir uns lange in die Augen.“

Nach der ersten Runde mit viel Gekicher werden die Kinder sicherer. Jetzt sollen sie das Nein mit einer Handbewegung unterstreichen. Und bitteschön auch grimmig gucken! „Solche Übungen sind gerade für die Maxis besonders wichtig“, sagt Erzieherin Karin Beensen-Lindlar. „Auf dem Schulhof ist ja Gewalt gang und gäbe.“ Da sei es wichtig, das Ich der Kinder zu stärken und ihnen zu zeigen, „dass man sich auch anders auseinandersetzen kann als mit Fäusten.“

Ein Anliegen, das Sonja Larisch unterstreicht. Sie, die Psychologie studiert und als „Braungurt“ seit langem die Bonsai-Gruppen im Karate des TuS Lindlar betreut, weiß, dass Kindern dieses Alters Auge und Kraft zur Selbstverteidigung fehlen. „In diesem Alter kommt es auf die Ich-Stärkung an.“ Ziel seien selbstbewusste Kinder, die „erst gar nicht in Opfersituationen kommen“. Deshalb schärft sie ihren Zuhörern ein, sich „klar, deutlich und verständlich“ zu äußern. Besser als „Tu das nicht“ oder „Bleib stehen“ seien prägnante Aussagen wie „Stopp!“, „Halt!“ oder „Nein!“. Mit passender Handbewegung und eindringlichem Blick kombiniert sei das sehr wirkungsvoll. Denn eins sei erwiesen: „Die Täter suchen keinen Gegner, sondern Opfer.“

Gibt es Situationen, in denen die Maxis Angst haben? „Vorm Fuchs“, sagt Maria. „Von einem Gespenst erwischt zu werden“, meint Bastian, „Vom Baum zu fallen“ sorgt einen anderen. Ein großer Kasten ist aufgebaut, von dem dürfen die Kinder nun rückwärts auf eine weiche Matte plumpsen. „Cool“ finden sie das, wenngleich einige ängstlich nach unten spinxen. Dann bekommen sie alle ein Blatt mit einem Männchen, an dem sie die Stellen markieren sollen, an denen sie Angst spüren. „Ich kriege zum Beispiel weiche Knie“, verrät die Trainerin. „Da müsste ich die Knie einkreisen.“

Tabea hat ihrem Strichmännchengesicht dicke Tränen gemalt. Die Kinder sehen: Jeder Mensch hat Angst, aber jeder spürt sie woanders. „Was tut ihr gegen die Angst?“ fragt Sonja Larisch. „Mutig sein“ und „Auf die Zähne beißen“, meint Tim. „Weggehen“ empfiehlt jemand anders. Tabea berichtet: „Ich rede mit meiner Schwester und meinem Bruder darüber.“ Die Trainerin hakt ein. „Es hilft, wenn man mit jemand sprechen kann, zu dem man Vertrauen hat“, sagt sie und gibt den Pänz eine Partner-Aufgabe, bei der Vertrauen spielerisch geübt wird: Ein Kind hält die Augen geschlossen, sein Partner führt es.

„Ich hoffe, dass den Maxis das weiterhilft, was sie hier lernen“, sagt Karin Beensen-Lindlar, „dass sie es umsetzen und verinnerlichen können.“ Sie hatte die Idee zu dem Ich-Stärkungs-Kurs, weil das laufende Kindergartenhalbjahr ohnehin unter dem Motto „Faustlos“ den Kindern einen gewaltlosen Umgang miteinander näher bringen will. Die Umsetzung des „Bonbons“ für die Schulanfänger sei allerdings schwierig gewesen. Die Polizei in Bergisch Gladbach mache nur Angebote für Erwachsene und die Polizei im Oberbergischen Kreis habe zwar Angebote für Kinder, dürfe aber hier nicht arbeiten. Glücklicherweise hätten sie und Kita-Leiterin Petra Osenau durch ein Schnupperangebot der Kürtener Gleichstellungsbeauftragten den Verein Prävent kennengelernt. Die Kosten übernahm das Kreisjugendamt.

Die Kinder liegen auf dem Bauch. Mucksmäuschenstill. Auf ein Signal brüllen sie aus Leibeskräften los. „Ihr könnt immer aussuchen, was ihr sagen wollt: ja oder nein“, hatte Larisch zuvor betont. „Und es gibt etwas, worauf ihr euch dabei verlassen könnt. Das ist euer Gefühl. Das ist zu 99 Prozent richtig.“

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