UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

Samstag, 13. November 2010

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

TIT_Rheinberg.gif  

"Wir haben auch viel zu lachen gehabt

Wir haben mit der 97-jährigen Renate Zanders über ihr großes Hobby, die Musik gesprochen. Sie ist bis heute die gute Seele der Chorgemeinschaft Zanders Bergisch Gladbach.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: 35 Jahre haben Sie in dem renommierten Oratorienchor mitgesungen. Was hat Sie fasziniert?
RENATE ZANDERS:Es ist ein wunderbares Gefühl, ein musikalisches Werk mitgestalten zu können. Wenn man den Erfolg erleben kann, ist es doppelt schön. Und dann die große Vielseitigkeit. Wir haben Modernes gesungen, Uraufführungen, alte Musik von Händel und Mozart. Die Bach'schen Passionen waren die Highlights. Schon 1950 gab es das erste Konzert im Altenberger Dom, sogar Bundespräsident Theodor Heuss kam. Aber wir haben auch viel zu lachen gehabt.

Jetzt sind sie Stammgast im Publikum.
Das ist ja das Wenigste. Aufgrund meines Alters kann ich nicht mehr mitsingen. Ich habe aufgehört mit 70 Jahren.

Hatten Sie Singen gelernt?
Gesangsunterricht habe ich nie genommen. Aber ich bin mit Musik aufgewachsen, damals auf dem Gut meiner Eltern im Thüringer Wald. Ich ging aufs Internat in Altenburg und habe dort im Chor gesungen. Später, als meine Eltern das Gut verkauften und nach Berlin zogen, hatte ich dort auf der Schule fabelhaften Musikunterricht. Ich habe etwas Klavier gespielt, auf der Laute musiziert und dazu gesungen. In der Chorgemeinschaft, die damals noch Cäcilienchor hieß, habe ich lange Sopran gesungen, nachher bin ich in den Alt gewechselt.

Wie kamen Sie zum Chor?
Die Wiederbelebung des Chors war 1948 eine Initiative meines Mannes Johann Wilhelm Zanders. Er war der Enkel von Maria Zanders, die den Chor 1885 gegründet hatte. Ein Familienmitglied sollte daher den Vorsitz des neuen Chores übernehmen. Man hatte mich dafür ausersehen.

Sie waren 37 Jahre Vorsitzende und mit Dirigent Paul Nitsche ein tolles Gespann.
Ja, es hat viel Freude gemacht. Paul Nitsche war für uns alle die prägende Persönlichkeit. Wenn er bei den Weihnachtsfeiern des Chors auf dem Igeler Hof solistisch sang - das ist unvergesslich. Wir haben dann in der Scheune lange Tische mit Kerzen aufgestellt, das war ungeheuer stimmungsvoll. Da fing für uns Weihnachten an. Aber er war auch streng: Wer zu viel gefehlt hatte und beim Konzert mitsingen wollte, musste eine Extrastunde mit Vorsingen absolvieren. Hermia Schlichtmann, unsere jetzige Dirigentin, ist auch sehr gut. Durch ihr gewinnendes Wesen lockt sie junge Sänger an, das ist unschätzbar wertvoll.

Sie unterstützen den Chor auch finanziell.
Ich bin in gewisser Weise ein Rückhalt für ihn. Die guten Jahre sind vorbei, in denen die Stadt Bergisch Gladbach jedes Jahr ein Konzert des Chores finanziell übernommen hat. Es ist mit der wirtschaftlichen Existenz immer schwieriger geworden. So hohe Eintrittsprise kann man gar nicht nehmen, um die Kosten auszugleichen. Deshalb haben wir einen Förderverein gegründet. Die Proben finden zum Glück noch kostenlos auf dem M-real Werksgelände statt.

Warum investieren Sie so viel?
Wir dürfen mit einigem Selbstbewusstsein sagen, dass wir ein wesentlicher Faktor des musikalischen Lebens hier geworden sind. Ich finde diese kulturelle Einrichtung sehr wertvoll.

Sind Sie eine „Erbin von Maria Zanders“?
Manchmal erschien es mir, als sei es mir bestimmt, ihre Ziele fortzusetzen. Ich habe mich immer für kulturelle Belange eingesetzt. Das ist eine meiner Lebensaufgaben.

Ihr Geburtstagswunsch?
Ich wünsche mir, dass der Chor weiterhin erstklassige Konzerte beschert und noch lange bestehen bleibt. Denn ein Musikwerk einzustudieren und bei seiner Aufführung mitzuwirken, trägt spürbar zur Entwicklung der Persönlichkeit bei. Chorsänger bilden sich - unbewusst - auch als Mensch weiter. Ich hoffe auf eine lange gute „Ehe“ mit unserer Dirigentin Hermia Schlichtmann und auf eine friedliche Zukunft in der Welt, in der Musik nie aufhören wird, uns Menschen bleibende Erlebnisse zu schenken.

Das Gespräch führte Ute Glaser

^

 
Zurück zu: Archiv   Text-Archiv 2010   Aktuelles