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Journalistin

 

Montag, 29. Januar 2007

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

Mein Tag, Folge 333

"Da kommen kranke Bonsais an den Tropf"

Ralf Schneider (56) ist Gartenarchitekt und Spezialist für Bonsai, die er in seiner Baumschule in Odenthal herstellt, verkauft und in Pflege nimmt

Bei mir bestimmen die Pflanzen das Leben. Das Arbeiten mit ihnen macht mir einfach Spaß. Kaufen, blühen, wegschmeißen - so ist das heute bei den meisten Leuten. Wer lässt schon seine Azalee oder sein Alpenveilchen überwintern? Bonsais sind aber ganz anders. Sie sind auf Langlebigkeit angelegt und können ein paar Hundert Jahre alt werden. Ich habe mein Baumschul-Programm 1979 um die ersten Bonsai-Sorten erweitert. Jetzt führe ich mindestens 150 Sorten und produziere fast alle selbst.

Der Tag geht bei mir um sechs Uhr los. Bis acht Uhr mache ich Bürokram, dann kommt der Versand: Papiere ausdrucken, die bestellten Pflanzen zusammenstellen und verpacken. Seit 20 Jahren gibt's meine Bonsais per Katalog, inzwischen auch im Internet. Gestern habe ich zum Beispiel nach Genua, Cannes, Paris und Rimini verschickt, ach ja und nach Salzburg. Favorit sind japanische Ahornarten. Im Schnitt ist solch ein Bonsai 20 bis 30 Zentimeter groß und drei bis 20 Jahre alt. Sind alle Aufträge erledigt, ist Gießen, Beschneiden, Umtopfen oder Sonstiges angesagt, bis um 14 Uhr der Kundenbetrieb beginnt. Die Zeit vergeht wie im Nu, denn die Zigtausend Töpfe müssen alle von Hand gegossen werden, weil jede Pflanze ihre spezielle Wassermenge braucht. An heißen Sommertagen sind täglich fünf bis sechs Stunden Gießen normal. Wenn um 18 Uhr die Baumschule schließt, setze ich mich noch mal ins Büro, meist bis 21 oder 22 Uhr.

Mein Wissen über Bonsais habe ich mir selbst beigebracht. Als Garten- und Landschaftsbauer und Gartenarchitekt hatte ich eine Grundlage, denn der Bonsaischnitt ist im Prinzip ein Baumschulschnitt. Hinzu kommt das Harmoniegefühl: Die Schale muss zum Baum passen. Der Rest war Lernen am Objekt. Für mich ist immer noch faszinierend, dass ich jede Pflanze, die verholzt, zum Bonsai machen kann. Klassiker sind Ahorn, Kiefer und Eiche. Aber ich habe auch Eukalyptus zum Bonsai geschnitten oder Bougainvillea, Kamelien und Feigenbäumchen. Das Obst im Miniformat kann man natürlich essen und beim Rosmarin-Bonsai lässt sich das, was man abschneidet, als Gewürz verwenden.

Sogar größere Gehölze lassen sich zum Bonsai zurückschneiden. Ich habe eine sibirische Ulme im Topf, die war mal fünf Meter groß. Umgekehrt entwickelt sich jeder Bonsai, der ausgepflanzt wird, wieder zur großen Ursprungspflanze. Für den Einstieg empfehle ich fürs Freiland Ahorn-Bonsai, fürs Zimmer Gummibaumsorten. Schnitt, Dünger und Topf - das sind die drei Kriterien, um die Pflanze klein zu halten. Die meisten Fehler werden meist beim Gießen gemacht. Bei zu viel Wasser ist Wurzelfäule vorprogrammiert und da kann ich dann auch nicht mehr viel machen, obwohl ich eine Krankenstation habe, wo kranke Bonsais an den Tropf kommen. Schlecht ist auch kalkhaltiges Wasser. Viele Leute lassen während des Urlaubs ihre Bonsais deshalb von mir betreuen.

Mein Tag ist auf die Minute durchgeplant. Urlaub hatte ich schon seit zwölf Jahren nicht mehr, weil ich keinen Mitarbeiter habe, der all das machen kann, was ich mache. Besonders beim Versand. Ich habe Hunderte von Sorten, und die Pflanzen sind nur selten etikettiert. Da muss selbst ich manchmal suchen. Vielleicht stellen wir sie wenigstens mal alphabetisch auf. Aber ich liebe meine Arbeit. Und wenn eine Pflanze das erste Mal blüht - das ist wunderbar und spannend! Allerdings dauert das manchmal ein paar Jahre.

AUFGEZEICHNET VON UTE GLASER

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