UteGlaser                                                                                                                                                E-Mail                    
Journalistin

 

18. Januar 2005

Koelner Stadt-Anzeiger online - www.ksta.de

TIT_Rheinberg.gif   

Mode-Atelier Schätzmüller in Kürten-Olpe: Hier werden Wünsche auf den Leib geschneidert   
Interview mit den beiden Damenschneiderinnen  

  

Geschichten um 1001 Nadel

Die Zwillinge Gisela und Hildegard Schätzmüller sind Experten an der Nähmaschine. Für viele Modelle haben die Damenschneiderinnen Medaillen und Urkunden erhalten.

Kürten – Ihr herzliches Wesen erinnert an Miss Marple, und das gleich im Doppelpack: Freundlich, wach, bescheiden und flink sind die Schätzmüller-Zwillinge Gisela und Hildegard. Der Stoff, auf den sie ihr Augenmerk richten, wird jedoch nicht von Krimiautoren erdacht, sondern liegt leibhaftig vor ihnen: glatt, wollig, weich, bunt, uni oder schillernd. In jedem Fall eine Herausforderung für die beiden Fachfrauen an der Schere. Denn aus den verschiedensten Materialien schneidern sie ihren Kunden die Wünsche auf den Leib.

            „Mode-Atelier“ steht auf dem Türschild in Kürten-Olpe, Geschenk des verstorbenen Kürtener Graveurs Rudolf Niedballa. Er ging bei den Damenschneiderinnen genauso ein und aus wie Liedermacherin Monika Kampmann, Karnevalisten, Ärzte, Geschäftsfrauen, Bräute und andere Zeitgenossen, die Wert auf gute Kleidung und handwerkliche Präzision legen. Reguläre Öffnungszeiten gibt es bei Schätzmüllers genauso wenig wie Fax oder Mailadresse. Dafür unkomplizierte Terminierungen und persönliche Atmosphäre. Hier folgt auf das „Wir haben gerade Pause“ nicht die Bitte um späteres Wiederkommen, sondern durchaus eine Einladung ins Wohnzimmer: „Kommen Sie doch rein. Wollen Sie auch einen Tee?“

            Zu weite Hosen, falsch sitzende Westen, zu eng gewordene Röcke oder unmoderne Jacken: Für Laien scheinbar unlösbare Probleme sind für die Zwillinge meist ein klarer Fall. Konzentrierte Blicke aus zwei Augenpaaren, hier eine Nadel zum Abstecken, dort ein Zupfen zum Überprüfen des Stoffs und der Kunde wird bis zur Anprobe entlassen. Ihr ganzes Können stellen die Schwestern aber vor allem bei Neuanfertigungen unter Beweis. Kleider für wichtige Anlässe wie Hochzeiten, Bälle, Jubiläen, Auftritte und Geschäftstermine sind ihre Spezialität. „Die Stoffe dafür werden dann hier ausgesucht“, sagt Hildegard Schätzmüller, die über zwei Jahrzehnte lang Mitglied der Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln war. Mit dem Maßband um den Hals zeigt sie die aktuelle Stoff-Kollektion. Im Frühjahr und Herbst gibt’s jeweils eine neue.

            Kaum zu glauben, dass die beiden munteren Schneiderinnen just 70 geworden sind und seit über 50 Jahren kreativ an der Nähmaschine sind. Konzentriert und mit scharfem Auge wie eh und je. Nach der Volksschule hatten sie zunächst zwölf Jahre lang getrennt in Kürten und Bergisch Gladbach gelernt und gearbeitet, dann – als Gisela Schätzmüller den Meisterbrief erhielt – machten sie sich im Olper Elternhaus selbstständig, dort, wo sie auch geboren sind. Unter dem Dach juche ist seither ihr schöpferisches Reich. Dort wirken die beiden Frauen, die in der Freizeit gern kegeln, an großen Tischen zwischen vier Nähmaschinen, Kleiderständern, Tausenden von Nadeln und einem unerschöpflichen Garn-Arsenal. Das kesse Outfit der Steinenbrücker Schiffermädchen ist hier genauso entstanden wie das Kostüm des Dürscheider Karnevalsprinzen und das aparte Kleid der Bechener Prinzessin. Die grün-schwarzen Zunftjacken der Glaser-Innung Köln-Bonn-Aachen kommen ebenfalls aus dem Olper Atelier, wo regelmäßig vor Sessionsbeginn auch der „Kürtener Buur auf dem Tisch liegt“. Was aber nichts anderes heißt, als dass sein Gewand mal wieder für eine andere Körpergröße parat gemacht wird. 

            „Auf den Kunden einzugehen, ist das A und O“, verrät Gisela Schätzmüller einen Grund ihres jahrzehntelangen Erfolgs. Denn wer die Stiege ins verwinkelte Dachstübchen hinaufsteigt, kommt oft mit konkreten Vorstellungen, Heften, Bildern oder sogar Stoffen. Wunschgemäß sind so schon ausgefallene Brautkleider in Rot und Grün entstanden. Liebgewordenes wird enger, weiter oder modischer gemacht. Was die Kunden an den Schneiderinnen über alles schätzen: Sie arbeiten sehr exakt. Schlitze, Biesen, Abnäher, Knopflöcher und Kragen: Alles sitzt perfekt. Juroren honorierten das mit zahlreichen Auszeichnungen. „Wir haben immer Preise bekommen“, erzählt Gisela Schätzmüller. Bronze, Silber, Gold – die Schätzmüller-Stücke lagen bei Model-Wettbewerben des Innungsverbands Nordrhein-Westfalen stets vorne und wurden meist von Fleck weg verkauft. Der cognacfarbene Wildseiden-Hosenanzug zum Beispiel oder der schwarze Dreiteiler aus Spitzen-Shorts, Top und Organza-Mäntelchen. Da verdrehen die Zwillinge heute noch vielsagend die Augen.

            Schneidern die Schwestern auch für sich selbst? Was für eine Frage! „Ich ziehe nur etwas an, was ich selbst genäht habe“, sagt Gisela Schätzmüller und zupft schnell ein Fädchen von der Bluse. Die hat sie sich gleich in drei Farben genäht, weil ihr der Schnitt so gefiel. Plus jeweils passendem Rock dazu. Erinnern könne sie sich nur an einen einzigen gekauften Mantel, grübelt sie laut. „Da muss ich aber weit zurückdenken

   

„Diese Arbeit ähnelt der Bildhauerei“

Hildegard und Gisela Schätzmüller wirken seit über 50 Jahren kreativ an der Nähmaschine. Mit den beiden Mode-Kennerinnen sprach Ute Glaser.

War Schneiderin Ihr Traumberuf?
Gisela Schätzmüller: Kann man so sagen. Ich habe früher Puppenkleidchen genäht und bin wütend geworden, wenn ich die Teile nicht richtig zusammensetzen konnte. Da habe ich gedacht: Das will ich lernen!

Sind Sie mehr Handwerkerin oder mehr Künstlerin?
Gisela Schätzmüller: Wirklich beides. Das ist wie beim Bildhauer. Erst liegt der Stoff so flach da, dann ist er auf einmal gestaltet.

Die Ideen . . .?
Gisela Schätzmüller: . . . kommen von alleine.

Nähen Sie mit Reihgarn „vor“?
Gisela Schätzmüller: Nein. Wir nähen gleich. Dafür haben uns schon früher unsere Lehrerinnen groß angesehen.
Hildegard Schätzmüller: Aber es muss schon richtig genäht sein. „Der Rest kommt beim Bügeln“ gilt bei uns nicht.

Was sollten Mollige beim Einkleiden beachten?
Hildegard Schätzmüller: Sie sollten glatte, einfache Schnitte tragen. Nicht zu eng. Und man darf nicht drauf arbeiten mit Falten, Rüschen oder so.

Haben sich die Menschen in den letzten 50 Jahren verändert?
Hildegard Schätzmüller: Heute sind die Leute legerer. Auch gekleidet. Früher waren sie eher eingebildet.
Gisela Schätzmüller: Ja, die mäkelten oft rum. Und heute zieht man vieles einfach übereinander an, das hat sich bestimmt verändert.
Hildegard Schätzmüller: Früher war selbst der Futtersaum super wichtig, zum Beispiel dass der schön genäht war.

Welche Prominente sind für Sie gut gekleidet?
Hildegard Schätzmüller: Fein angezogen war immer die Christiansen.
Gisela Schätzmüller: Und der Harald Schmidt!
Hildegard Schätzmüller: Ja, der hat immer schicke Sachen. Aber die Männer sind im Fernsehen sowieso besser gekleidet als die Frauen. Bei den Fernsehansagerinnen sieht man oft, dass die Sachen am Busen zu eng sind. Unmöglich. Auch die Ärmel sind schlecht gebügelt.

Was tragen Sie am liebsten?
Hildegard Schätzmüller: Hosen und Modisches. Aber wir würden beide nie einen Blazer anziehen. Krägen mögen wir nicht.
Gisela Schätzmüller: Ich ziehe keine Hosen an. Ich ziehe überhaupt nur an, was ich selbst genäht habe. Da würde ich sonst lieber nackt laufen

^

 
Zurück zu: Archiv   Text-Archiv 2005   Aktuelles