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Journalistin

   

Heft 3/2005 Juli - September 2005

Herzlich willkommen bei der Rheinisch Bergischen Wirtschaftsförderung mbH

Dossier "China": China Forum/Galerie T bereitet in Kürten-Forsten auf den Umgang mit Chinesen vor        
Tätigkeitsbereiche von China Forum/Galerie T       
Strategeme - Geheimwissen? Hinter dem Lächeln der Dolch ...      
Strategem-Praxis: Der Kauf des Transrapid    
Die 36 Strategeme der Chinesen   
Zuerst kam China in den Magen: Hon's Garden in Odenthal    

Porträt: Foto Molitor in Kürten    
Porträt: Splash - das Erlebnisbad mit Saunalandschaft in Kürten

 

Das „leere Glas“ für den Geschäftserfolg

„CHINA FORUM - GALERIE T“ BEREITET AUF DEN UMGANG MIT CHINESEN VOR UND FÖRDERT DEN DIALOG

China kommt!“ Das hörte der 38-jährige Thomas Täubner schon vor 20 Jahren von seinem Vater, einem Kürtener Künstler-Fotografen. Damals konnte sich das kaum jemand vorstellen, auch nicht der Sohn, der dem Riecher des Vaters folgend trotzdem Sinologie studierte. Chinesische Sprache und Kultur faszinierten ihn derart, dass er nicht nur seinen „Dr. phil.“ machte, sondern auch bei dem Freiburger Professor Harro von Senger promovierte (was außer ihm noch kein anderer Sinologe schaffte), in China Xuemei Liu heiratete und Anfang 2005 mit ihr gemeinsam in der alten Dorfschule Kürten-Forsten das Unternehmen „China Forum – Galerie T“ gründete. Das Ziel: „Wir möchten Leute in Deutschland auf den Umgang mit Chinesen vorbereiten.“

Das Paar ist ungewöhnlich: Ihr bodenlanges chinesisches Gewand sitzt wie eine zweite Haut und unterstreicht ihre Anmut, sein Anzug fällt leger und passt zu seinem unkompliziert-lockeren Auftreten. Xuemei Täubner-Liu und Thomas Täubner empfangen Besucher warmherzig – mit Lächeln und Jasmintee. Die Menschen kommen, um chinesische Sprache und Mentalität kennen zu lernen, um Musik oder Ausstellungen zu genießen, um Taiji-Kurse zu belegen oder Workshops in Kalligraphie, Kochoder Strategem-Kunst (siehe S. 17) zu besuchen. Die Räume, in denen China den Deutschen begegnet, sind so ungewöhnlich wie das dort wohnende Paar selbst: Haus Forsten 43 war Volksschule zu einer Zeit, als evangelischer und katholischer Unterricht strikt getrennt stattfanden. Während im „katholischen Klassenraum“ heute das Büro der Firma „China Forum – Galerie T“ sitzt, wird im „evangelischen Klassenraum“ auf alten Holzstühlen des dritten Schuljahres wieder gelernt. Allerdings nicht nur von Kindern, sondern auch von Erwachsenen, und auf der Tafel stehen neben lateinischen auch chinesische Schriftzeichen.

Thomas Täubner ist in dem Gebäude groß geworden, sein Vater Wilfried hatte es 1976 gekauft. Großformatige Schwarzweißfotos erinnern an den Künstler-Fotografen überall: Personenstudien, der Sohn als Dreikäsehoch mit nacktem Popo, Experimente mit Licht und Schatten, die an asiatische Kunst erinnern. Diese „reduzierte Ästhetik in der Fotografie“, meint Thomas Täubner, habe ihn beeinflusst, vielleicht seine Sinne für die asiatische Welt geöffnet, genauso wie des Vaters „Riecher“ ihn früh für China sensibilisierte. Ebenfalls prägend: ein Gespräch mit dem ersten chinesischen Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian in der Studentenzeit. Es beflügelte ihn, Sinologie vom Nebenzum Hauptfach zu erheben und als Stipendiat zwei Jahre an die Universität Nanjing zu wechseln, wo er seine Frau kennen lernte. Xuemei Liu betreute damals an der Uni ausländische Studenten und Experten. „Ich bin die Generation der Kulturrevolution“, sagt die 36-Jährige, die 1978 Reform und Öffnung Chinas bewusst erlebte. „Plötzlich kam ein Befreiungsgefühl, eine Sehnsucht nach der Außenwelt. Englisch war damals für viele ein Traumstudium.“ Sie absolvierte es und ließ sich parallel zur Taiji-Meisterin bei einem führenden Großmeister ausbilden, der nun in vielen Taiji-Positionen an der Forstener Schulwand hängt und so auch optisch der zierlichen Chinesin bei ihren Taiji-Kursen den Rücken stärkt.

Die Chinesin und der Deutsche, inzwischen Eltern zweier Kinder, schlugen 1993 durch ihre Heirat in China eine persönliche internationale Brücke, die sie zwei Jahre später mit dem Umzug nach Deutschland geographisch zementierten. Sie arbeitete als Auslandskorrespondentin für chinesische Medien, während er seine Promotion beendete. Mit der Firmengründung Anfang 2005 machen sie ihre Brücke der Kulturen nun nach außen sichtbar – und so womöglich auch für andere begehbar. Denn das Ehepaar möchte Hiesige zur Begegnung mit China ermuntern. „Man kann gar nicht früh genug beginnen“, meint Thomas Täubner. Dabei seien ihre Angebote keine Einbahnstraße. „Auch Dinge aus dem Westen sind ganz wichtig. Es ist ein Dialog, eine Konversation. Deshalb nennen wir uns auch China Forum.“

Ist die Mentalität tatsächlich so unterschiedlich zwischen Chinesen und Deutschen? Xuemei Täubner-Liu nickt. Chinesen seien beispielsweise zurückhaltend mit Kritik, „sie sind sehr vorsichtig nach außen“. In Deutschland habe sie erst gelernt „offen zu sprechen und auch kritische Meinung zu äußern“. Sie findet das gut. „Wenn es aber nur weiterrutscht in eine Jammer-Mentalität, dann geht mir das zu weit.“ Ein weiterer Unterschied: „Das Zwischenmenschliche ist kälter in Deutschland.“ Bei der Begrüßung eines Bekannten zeigten die Menschen hier oft keine Mimik, selten ein Lächeln. „Wenn einer in China jemanden begrüßt, kommt ein strahlendes Lächeln dazu.“ Ist das nicht antrainiert? „Die Höflichkeit ist gelernt, aber das Lächeln ist da und deshalb wirkt es auch.“

Für den Geschäftserfolg kann die Kenntnis der chinesischen Mentalität ausschlaggebend sein. Ein Beispiel der 36-jährigen: „Beim Essen werden in China viele Geschäfte gemacht.“ Sie werden dabei zwar niemals definitiv geschlossen, aber die Stimmung während des Essens ist entscheidend für den Geschäftsabschluss. Welcher Deutsche kennt allerdings die Bedeutung des „Ganbei“, das ihm der chinesische Geschäftspartner beim Erheben eines Schnapsgläschens fröhlich zuruft? Es heißt soviel wie „Das Glas leeren“ – und das sollte der Geschäftsinteressierte dann auch tun. „Wichtig ist: Das Glas muss leer sein“, erklärt Xuemei Täubner-Liu. „Dann wird es herumgezeigt und alle sind glücklich.“ Problematisch: Je wichtiger der Gast, desto mehr Schnäpschen werden kredenzt. Trinkt er mit, ist alles perfekt, doch bei Anzeichen von Trunkenheit hat er alles verloren. „Aber es gibt Tricks“, beruhigt die Chinesin. „Zum Beispiel kann man eine dicke Serviette in der Hand halten und den Alkohol da hinein kippen.“ Statt in den Hals. Das sei – gut gemacht – genauso erlaubt wie der „Trink-Assistent“ reicher Geschäftsleute, der sich den Schnaps stellvertretend für seinen Chef hinter die Binde kippe. Westlern mag das merkwürdig vorkommen, für Chinesen steckt hinter diesem Gebaren klar das Strategem Nummer 27: „Verrücktheit mimen (Harmlosigkeit vortäuschen), ohne dabei das Gleichgewicht (und sein Ziel aus den Augen) zu verlieren.“ „China kommt“, hatte Wilfried Täubner prophezeit. In der alten Forstener Dorfschule ist es ein stückweit schon da.

Ute Glaser

Kontakt:
China Forum – Galerie T
Forsten 43 (Alte Dorfschule)
51515 Kürten
Tel.: (0 22 68) 10 62
Fax: (0 22 68) 17 55
sinokult@aol.com

 

Vielfältige Tätigkeiten

Zu einem Forum gehören vielfältige Bereiche. Auch dem trägt „China Forum – Galerie T“, das mit Materialien von der Chinesischen Botschaft unterstützt wird, Rechnung. Das Unternehmen deckt folgende Bereiche ab:

Chinesisch-Sprachschule: Beide Ehepartner unterrichten, meist gemeinsam. Ihnen geht es nicht nur ums Vokabelnlernen, sondern auch um Sprechen, Kalligraphie, sogar Singen oder Basteln. Derzeit nehmen dreizehn 10- bis 15-Jährige an einem Kinderkurs teil. Außerdem unterrichtet Thomas Täubner außer Haus im Rahmen der „Chinesisch AG“ am Rösrather Gymnasium, zu der Schüler von fünf Schulen strömen. Eine ähnliche AG ist mit dem Wipperfürther Gymnasium in Planung. Für Erwachsene existieren derzeit zwei Intensivkurse mit je zwei Teilnehmern, die aus Interesse wegen Urlaubs- oder Geschäftskontakten Chinesisch lernen wollen. Auch 1:1 und Gruppen-Unterricht sind möglich. Im Herbst 2005 beginnt ein Anfängerkurs bei der Volkshochschule Kürten. 

Taiji-Schule: Xuemei Täubner-Liu ist als Taiji-Meisterin in China von einem renommierten Großmeister ausgebildet worden und hat zwölf Jahre Erfahrung. Sie lehrt den traditionellen Yang-Stil, den populärsten und grundlegendsten Stil, der sich für Kinder und Erwachsene eignet. „Das ist kein Sport, das ist eine Bewegungsmeditation, eine Zusammenführung von Körper und Geist.“ Derzeit leitet sie drei Erwachsenen-Gruppen, bei gutem Wetter im Garten, bei schlechtem in der ehemaligen Schuleingangshalle. „Der Morgenkurs ist der beste.“ Späte Kurse nach 20 Uhr lehnt sie ab, denn Taiji belebt, massiert innere Organe und fördert Energien, die am Tage nutzen.

Reisen: Ab Frühling 2006 gibt es in Oster- und Herbstferien jeweils eine 14-tägige Reise in die Gegend von Shanghai und Nanjing, einer der schönsten und wirtschaftlich interessantesten Regionen Chinas. „Wir sind kein Reisebüro.“ Zielgruppe sind neben Bildungs- auch Geschäftsreisende, denn die Chefin verspricht: „Für die bereite ich geschäftliche Kontakte vor.“

Übersetzungen: Geschäftspost oder Homepage-Texte können übersetzt werden. Einmal war’s auch die Beschreibung zur Installation von Badewannenzubehör.

Ausstellungen & Musik-Salons: Fotograf Wilfried Täubner war Gründer der „Galerie T“ und seine Schwarzweißfotos zieren immer noch die Wände. „Er wird immer präsent sein“, sagt der Sohn, der mit seiner Frau die Galerie um das „China Forum“ erweiterte und es zu einem Konzept zusammenband. Aber auch die Kunst anderer findet in der alten Schule in Forum – solange sie zu China einen Bezug hat oder im Dialog steht. Noch bis zum 10. August und dann wieder vom 28. August bis 10. Dezember ist die Ausstellung „LICHT-images – Stockhausen zur Jahrtausendwende (1998–2004)“ mit Fotografien von Alain Taquet und Thomas Täubner zu sehen. Der Bezug zu China? Chinesische Textpartien von Stockhausens Komposition HOCH-ZEITEN stammen von Täubners. Außerdem lädt ein Flügel zu „Musik-Salons“ ein. Beim Konzert am 12. Juni, stand jedoch ein anderes Instrument im Vordergrund: die „Guqin“ oder „Qin“, eines der bedeutendsten Hofinstrumente des alten China. Gespielt wurde es vom chinesischen Guqin-Meister Professor Cheng Gongliang aus Nanjing, der sich international einen Namen gemacht hat und bereits 1999 Komponist Karlheinz Stockhausen und Botschafter zum Konzert in die alte Dorfschule lockte.

Seminare & Workshops: Sie sind zu verschiedenen Themen in Vorbereitung: Chinesische Küche, Verhaltenstraining, Mentalität, Kalligraphie und Strategem-Kunst (siehe S. 18).

  

Hinter dem Lächeln den Dolch

MIT STRATEGEMEN ZUM ZIEL: KULTURSCHATZ, GEHEIMWISSEN, LEBENSREGELN?!

„Die deutsche Wirtschaft sollte sich  unbedingt mit der chinesischen Strategem-Kunst beschäftigen und sie beherrschen, damit sie auf Augenhöhe mit Chinesen verhandeln kann“, sagt Dr. Thomas Täubner. „Denn die Chinesen sehen jede Art von Beziehung aus der Perspektive strategemischer Verhaltensweisen.“ Der Kürtener weiß wovon er spricht: Sein Promotionsvater Prof. Harro von Senger ist der führende westliche Spezialist auf dem Gebiet der Strategem-Kunst, er stellte sie erstmals im Westen vor und publizierte mehrfach darüber, unter anderem das zweibändige Werk „Strategeme“ und das Buch „36 Strategeme für Manager“. Was sind Strategeme? Grob gesagt: Ähnlich wie die „10 Gebote“ das Denken und Handeln des christlichen Abendlandes beherrschen, so haben Chinesen die 36 Strategeme verinnerlicht.

Es handelt sich um einen Katalog von Lebens- und Überlebenslisten (wobei „-listen“ listige Verhaltensweisen meint) aus drei Jahrtausenden, ein Kulturgut, das lange als Geheimwissen gehütet wurde. „Strategeme gehören zu Chinas Weisheit“, sagt Thomas Täubner. Von vielen würden sie als Werkzeug der Hinterlist missverstanden, doch Strategeme seien nicht in erster Linie dazu da, „um jemandem listig zu schaden, sondern um Konflikte auf unkonventionelle Art und Weise zu lösen und harmonische Stimmung zu schaffen“.

Dass „List“ und „Weisheit“ in China dasselbe Schriftzeichen haben, zeigt, wie anders das Handeln dort eingesetzt und bewertet wird, das in hiesigen Breiten mit „List“ negativ besetzt ist. Strategeme beherrschen das chinesische Miteinander im geschäftlichen und privaten Bereich. Thomas Täubner bringt zwei Beispiele: Strategem Nr. 36 „(Rechtzeitiges) Weglaufen ist (bei völliger Ausweglosigkeit) das Beste“ zeige, dass Chinesen die reflektierte Entscheidung des „Weglaufens“ (also des Abbruchs einer Geschäftsverhandlung) keineswegs als einen Akt der Feigheit bewerten würden. Unter Umständen könne es sich um eine höchst weise Entscheidung gehandelt haben. Und Strategem Nr. 16 „Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen“ rate – geschäftlich gesehen – dem Menschen, nicht auf Biegen und Brechen ein Geschäft durchziehen zu wollen, sondern zu erkennen, wenn es nicht lukrativ ist, und loslassen zu können. Auch in der Liebeskunst hat sich dieses Strategem bewährt. Denn die listige Vorspielung von Desinteresse oder die fingierte Hinwendung zu anderen Menschen können wirkungsvollere Mittel sein, um den geliebten Menschen für sich zu gewinnen, als die Bezeugung bedingungsloser Zuneigung. „Ich benutze das auch bei unseren Kindern“, verrät Xuemei Täubner-Liu.

Genauso wichtig wie Strategeme sind in China Beziehungen. „Beziehungsnetz und Strategem-Kunst bilden ein Ganzes“, sagt Thomas Täubner. „Das sind die beiden Komponenten, die jeder, der erfolgreich sein möchte, beherrschen sollte.“ Schließt ein Chinese eher ein Geschäft mit dem, mit dem er fröhlich speiste, als mit jenem, der ein Produkt minimal preiswerter anbietet? „Das ist wahr“, bestätigt seine Frau. Allerdings hätten ihre Landsleute gerade bei Geschäften meist auch das Image des Landes mit im Blick, das es zu stärken gelte. Ein Beispiel ist der Kauf des Transrapid, bei dem die Verknüpfung von Image, Strategemen und Handlung deutlich wird: ,„Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu bekommen“ – also den teuren Transrapid kaufen, um Vorreiter zu sein (siehe unten). Die Vermittlung der Strategemkunde als einem bewährten Orientierungssystem der Chinesen – kombiniert mit der chinesischen Sprache – ist Thomas Täubner und seiner Frau ein Anliegen. Die Strategeme sind wie eine neue Software fürs Gehirn. „Da sehen wir ein großes Feld für uns.“

Ute Glaser

    

Strategem-Praxis: Kauf des Transrapids

„Der Transrapid ist zu einem Symbol für die kommende Weltwirtschaftsmacht China geworden“, sagt Thomas Täubner  „Denn auch wenn dieser Kauf sich in absehbarer Zeit nicht amortisieren wird, so steht der Transrapid doch für Hochleistungstechnik und Überschallgeschwindigkeit, zwei Dinge, mit denen sich die designierte Weltwirtschaftsmacht China heute nur allzu gerne identifiziert.“

Täubners „Lehrmeister“, der Freiburger Prof. Harro von Senger, führender westlicher Strategemkundler, interpretierte den Transrapid-Handel aus strategemanalytischer Perspektive im Oktober 2004, erschienen in der Schweizer Zeitschrift „Alpha“: „Dank der Kenntnis der 36 Strategeme vermag man zu erkennen, dass chinesischerseits beim deutsch-chinesischen Transrapid-Handel die Strategem-Verknüpfung (Strategem Nr. 35) eingesetzt wurde. ... 1994 beschloss die deutsche Bundesregierung, zwischen Hamburg und Berlin eine Transrapid-Trasse bauen zu lassen, um im Februar 2000 diesen Beschluss wieder rückgängig zu machen. Viele sagten daraufhin das endgültige Aus des Transrapids voraus. Das bis dahin mit 2 Milliarden Mark aus der Staatskasse geförderte Verkehrsmittel schien endgültig auf dem Abstellgleis gelandet zu sein. Diese missliche Lage auf der deutschen Seite erkannte die chinesische Regierung als Chance für den Abschluss eines für sie günstigen Vertrages betreffend dem Bau einer 31,5 km langen Transrapid- Strecke zwischen dem Flughafen Pudong und der Shanghaier Innenstadt (Notnutzungsstrategem Nr. 5: „Eine Feuersbrunst für einen Raub ausnützen“). Bei ihren Verhandlungen bediente sich die chinesische Seite ferner des Köderstrategems Nr. 17 („Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erlangen“), indem sie die deutsche Seite mit der allerdings nebulösen Aussicht auf Folgeaufträge bezirzte. Durch die Verknüpfung unter anderem der Strategeme Nr. 5 und Nr. 17 gelang dem Reich der Mitte ein glänzendes Geschäft, wogegen die deutsche Seite eher das Nachsehen zu haben scheint.“

Ute Glaser

 

Die 36 Strategeme    

Die 36 Strategeme in der Fassung, wie sie um 1500 n.Chr. „Das geheime Buch der Kriegskunst“ schriftlich fixierte – übersetzt (und in Klammern mit Erläuterungen versehen) von Harro von Senger:

1. Den Himmel (also den Kaiser) täuschend das Meer überqueren.
2. (Die ungeschützte Hauptstadt des Staates) Wei belagern, um (den durch die Streitmacht des Staates Wei angegriffenen Bündnispartner) Zhao zu retten.
3. Mit dem Messer eines anderen töten. 4. Ausgeruht den erschöpften Feind erwarten.
5. Eine Feuersbrunst (als günstige Gelegenheit) für einen Raub ausnützen.
6. Im Osten lärmen, im Westen angreifen.
7. Aus einem Nichts etwas erzeugen.
8. Sichtbar die Holzstege Instand setzen, insgeheim nach Chencang marschieren.
9. (Wie unbeteiligt) die Feuersbrunst am gegenüberliegenden Ufer beobachten.
10. Hinter dem Lächeln den Dolch verbergen.
11. Den Pflaumenbaum an Stelle des Pfirsichbaums verdorren lassen.
12. Mit leichter Hand das (einem unerwartet über den Weg laufende) Schaf (geistesgegenwärtig) wegführen.
13. Auf das Gras schlagen, um die Schlangen aufzuscheuchen.
14. Für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen.
15. Den Tiger vom Berg in die Ebene locken (wo er sich nicht verteidigen kann).
16. Will man etwas fangen, muss man es zunächst loslassen.
17. Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erlangen.
18. Will man eine Räuberbande unschädlich machen, muss man deren Anführer fangen.
19. Unter dem Kessel das Brennholz wegziehen.
20. Das Wasser trüben, um die (ihrer klaren Sicht beraubten) Fische zu fangen.
21. Die Zikade entschlüpft (einer Situation, indem sie sich verwandelt und aus) ihrer goldglänzenden Hülle (steigt, die ihre Verfolger ablenkt).
22. Die Türe schließen und den Dieb fangen.
23. Sich mit dem fernen Feind verbünden, um den nahen Feind anzugreifen.
24. Einen Weg durch Xu für einen Angriff auf Guo ausleihen (um danach Yu ebenfalls zu erobern).
25. Die Tragbalken stehlen und die Stützpfosten austauschen (um etwas von innen auszuhöhlen).
26. Die Akazie scheltend auf den Maulbeerbaum zeigen.
27. Verrücktheit mimen (Harmlosigkeit vortäuschen), ohne dabei das Gleichgewicht (und sein Ziel aus den Augen) zu verlieren.
28. Auf das Dach locken, um dann die Leiter wegzuziehen.
29. Dürre Bäume mit (künstlichen) Blumen schmücken.
30. Die Rolle des Gastes in die des Gastgebers umkehren.
31. Das Strategem der schönen Frau (die den Feind in eine Falle lockt).
32. Das Strategem der leeren Stadt (Einen Hinterhalt vortäuschen, der die eigene Schwäche verschleiert).
33. Das Strategem des Zwietracht Säens.
34. Das Strategem des leidenden Fleisches (Eine Selbstverletzung mobilisiert den Samariter-Reflex des Gegners oder das Mitleid des Publikums).
35. Das Ketten-Strategem (das zwei oder mehr Strategeme miteinander verknüpft).
36. (Rechtzeitiges) Weglaufen ist (bei völliger Aussichtslosigkeit) das Beste.

   

BESORGNIS NACH 40 JAHREN IN DEUTSCHLAND

Zuerst kam China in den Magen

Als Johnny Yuen nach Deutschland kam, war er 19. Inzwischen ist der Chinese 57 Jahre alt, längst Besitzer eines deutschen Passes, Kopf des Restaurants „Hon’s Garden“ in Odenthal und Vorsitzender der „Chinesische Union Nordrhein-Westfalen“, deren Mitglieder zu 90 Prozent China-Restaurant-Betreiber sind.

Die Situation sei alarmierend: weniger Gäste, höhere Kosten und der Trend zu Billig-Buffets schade zudem dem Image. In den vergangenen fünf Jahren hätten in NRW etwa 20 Prozent der China-Restaurants geschlossen, derzeit gebe es noch gut 400. Personal werde reduziert, vielen stehe das Wasser bis zum Hals. Er selbst arbeite öfters wieder an der Theke oder im Service. „Das hätte ich nie gedacht.“ Als Johnny Yuen als 19-Jähriger von Hongkong nach Köln kam, wollte er Maschinenbauingenieur werden. Chinesen hatten damals – 1967 – in der Region noch Seltenheitswert. China begegnete Deutschen höchstens in der Küche: in Restaurants mit roten Lampions, großen Aquarien und goldglänzenden Drachen.

Auch Johnny Yuens Bruder sowie Verwandte aus China hatten in Köln Lokale aufgemacht und der junge Chinese erkannte, dass dort am ehesten seine Zukunft lag. Er brach das Studium ab, ging nach Hongkong zurück, um eine Ausbildung als chinesischer Koch zu absolvieren, und unterstützte anschließend den Bruder in Köln: in Küche und Service. Restaurants in Leverkusen, Leichlingen, Solingen folgten, und seit elf Jahren betreibt der 57-Jährige mit seiner Familie nun Hon’s Garden an der Altenberger-Dom-Straße in Odenthal, wo er „manchmal noch“ in der Küche steht, um neue Gerichte auszuprobieren.

Die Karte bietet Klassisches: Nasi oreng, Rindfleisch – mal mit Bambus scharf oder mit Ananas süß-sauer, Ente knusprig, Chop-Suey, Hühnchen, Fisch oder Schweinefleisch mit Sojakeimlingen. Ungewöhnlichere Spezialitäten sind die auf einer heißen Platte zubereiteten „Hotcook“-Speisen, beispielsweise pikant mit „8 Kostbarkeiten“ oder Früchten des Meeres. Auch die „Peking-Ente knusprig gegrillt mit verschiedenen chinesischen Gemüsen“ empfiehlt der Chefkoch, zudem das „Chin-Ka-Fu“ mit Hühner-, Schweine- und Entenfleisch plus Hummerkrabben, das Rindfleisch „nach China Art“, das scharfe Schweinefleisch nach „Gon-Bao-Art“ oder die Hummerkrabben mit Knoblauch. Eine Karte mit 150 Gerichten – Kinderspeisen und Desserts inklusive. 

Ist dieses Essen typisch chinesisch, also das, was Reisende in China oder Hongkong serviert bekommen? Johnny Yuen lacht. „Nein, das ist alles geändert, das ist auf den deutschen Geschmack „deutsche chinesische Küche“. Warum? Die Antwort fällt wenig schmeichelhaft aus: „Die Deutschen sind so stur.“ Sie seien wenig experimentierfreudig, würden selten Unbekanntes ausprobieren. So werde in China beispielsweise auch viel Fisch gegessen, doch liefe das auf der Karte schlecht. Die Leute würden Ente mit China verbinden – und bestellen. „In London oder Rotterdam kann man Glück haben, dass man in einem Restaurant zu 80 Prozent chinesische Küche bekommt.“ Das gebe es hier nicht. Typisch chinesische Gewürze wie Knoblauch und Ingwer ließe sein Koch fast ganz weg. Auch „Tausi“, das gängige Hausfrauengewürz aus in Sojasoße eingelegten Bohnen, käme bei deutschen Gaumen nicht gut an. „Aber wenn jemand original chinesische Zubereitung möchte, dann machen wir das.“ Schließlich werden alle Gerichte frisch zubereitet, kurz gegart und knackig serviert. Auf Wunsch mit Stäbchen. Ein typisches Detail, das 30 Prozent der Gäste schätzen.

Einmal im Monat trifft sich Johnny Yuen mit den Mitgliedern der „Chinesische Union“, um Verbesserungen vorzustellen, Probeessen zu arrangieren und sich auszutauschen. Die Hoffnung, die sie vor Jahrzehnten ins Land kommen ließ, sei allerdings kaum noch da. „Seit der Euro kam, ging alles runter“, hat er beobachtet. Bereits im Einkauf sei alles teurer geworden. Tomaten, die früher 2 Mark kosteten, kosteten jetzt 2 Euro. Die Leute sparten, gingen weniger essen, schielten auf große Portionen und kleine Preise. Auch er hat sich dem Konkurrenzdruck angepasst und baut täglich „All-you-caneat“-Buffets auf. „Sonst kommen keine Gäste.“ Gewirtschaftet werde allerdings oft am Limit. „Jetzt steht vielleicht nur noch einer in der Küche mit einer Aushilfe, wo früher drei bis vier gearbeitet haben“, erzählt der 57-Jährige, der seit fast 40 Jahren die chinesischen Küchen von innen kennt. Dass er in seinem Alter wieder bisweilen im Service mit anpacken muss, hat er nicht gedacht. Aber er tut’s dennoch ohne Dünkel, um über die Runden zu kommen.

„Viele Freunde sind schon weg“, sagt der Chinese mit deutschem Pass. Sogar sein Sohn Hon, nach dem er vor elf Jahren Hon’s Garden benannte. Wo der gelernte Hotelfachmann hingegangen ist? „Nach Peking, in ein Hotel. Da ist eine sehr große Zukunft.“ Da, in China, erhofft sich nicht nur mancher Deutsche neue Chancen. Trotzdem will Johnny Yuen bleiben. „Deutschland ist mein zweites Heimatland. Ich bin ein halber Deutscher, das ist mein Land.“ Zudem ist er ein Optimist: „Vielleicht dauert es fünf bis neun Jahre und Deutschland ist wieder gesund.“ Derweil krempelt er die Ärmel auf und zeigt sich nach typisch chinesischer Manier flexibel: Da er die beiden chinesischen Hauptsprachen Mandarin und Kanton beherrscht, dolmetscht er öfters bei geschäftlichen Kontakten. Außerdem unterstützt er seit geraumer Zeit Freunde im Importbereich, um zu lernen, und sich so vielleicht ein Nebengeschäft zu erschließen. Diese Flexibilität und dieses „Sich-für-nichts-zu-schade-zusein“ sind für ihn nichts Ungewöhnliches: „So sind die Chinesen.“

Ute Glaser

Kontakt:
Hon’s Garden
Familie Yuen
Altenberger-Dom-Straße 45
51519 Odenthal
Tel.: (0 22 02) 7 18 88
Fax: (0 22 02) 7 13 98

Täglich geöffnet: Montags bis Samstags 11.30 bis 15 Uhr und 17.30 bis 23.30 Uhr, Sonntags und Feiertags 11.30 bis 23.30 Uhr
Büffet spezial jeden Mittag und Abend: Montags- bis Samstagsmittags 5,90 Euro, Montags- bis Freitagsabends 7,90 Euro; Samstagsabends sowie Sonntags und Feiertags 11,90 Euro
Alle
Speisen auch außer Haus

   

      

Foto ist nicht gleich Foto

F O T O   M O L I T O R   I N V E S T I E R T E   I N   S C H N E L L E   Q U A L I T Ä T

Die Firmenpräsentation, das Familienfest oder der Urlaub lassen sich auch Monate später noch in schillerndsten Farben schildern. Doch blass wirkt dagegen bisweilen das fotografische Ergebnis solcher Ereignisse. Das liegt mitunter am Können des Fotografierenden, vielleicht auch an der Art der Kamera, doch sehr häufig liegt es an der Qualität der Bildbearbeitung. Papierfoto ist längst nicht gleich Papierfoto. Foto Molitor in Kürten hat seinen Standard kräftig angehoben: durch Investition in ein hauseigenes digitales Minilab. Seither wurden zahllose Kunden zurück oder neu gewonnen, wenngleich der Alltag der Chefs nun wesentlich arbeitsintensiver ist.
 
Papierfotos „made by Molitor“ gibt es binnen 30 Minuten. Oder – 5 Cent billiger pro Bild – am nächsten Vormittag. Digitale Bilder liegen in Notfällen sogar noch schneller vor: Der Kunde kann darauf warten und – wenn er gut bekannt ist – zusehen, wie das Minilab das fertige Werk aus dem Printer spuckt. Alles in höchster Qualität und bis zu einer Größe von 20 mal 30 Zentimetern. Nur größere Abzüge (der Fachmann nennt das „Ausbelichtungen“) und Billigbildwünsche gibt Foto Molitor weiterhin an Fremdlabors weiter. Aber die Billigschiene hat bei der Kürtener Firma fast ausgedient, seit im Herbst 2004 das Minilab in Betrieb ging. „Die meisten Kunden, die sonst bei uns das Billigste vom Billigen genommen haben, sind inzwischen umgeschwenkt auf unsere eigenen Vergrößerungen, weil sie den Unterschied sehen“, sagt Markus Berster (30), der gemeinsam mit seinem Onkel Hans Joachim Molitor (47) die Geschäftsführung inne hat. „Weit über 90 Prozent“ der Fotoaufträge blieben inzwischen im Haus. „Wir haben viele Kunden wiedergewonnen, zudem etliche Profifotografen aus dem Umkreis von 20 Kilometern als Neukunden.“

Was macht die Molitor-Prints so begehrt? „Unsere individuelle Bearbeitung“, erläutert Markus Berster. „Wir schauen uns jedes Bild an, holen das Optimum raus und machen einen individuellen Print.“ Während beim Großlabor Filme automatisch durchlaufen und ausbelichtet werden, entscheidet hier der Blick der beiden Kürtener auf jedes einzelne Motiv, wie es am besten zur Geltung kommt. Das gilt für Prints von Negativfilmen genauso wie für Prints von digitalen Speichermedien, denn ohne Kalibrierung gibt es naturgemäß beträchtliche Abweichungen zwischen dem Bild, das der Fotografierende auf dem heimischen PC-Monitor sieht, und jenem Bild, das ein Fotolabor auf Papier vergrößert. Und Fotos zuhause selbst ausdrucken? Markus Berster winkt ab. „Als Fachmann kann ich sagen, das ist grundsätzlich zu teuer. Wir sind preiswerter, schneller und besser.“

Für das Kürtener Geschäft bedeutete der Einstieg in die neue digitale Technik  eine gewaltige finanzielle Anstrengung. Aber den Chefs war es wichtig, „frühzeitig digitale Kompetenz zu beweisen“. Es gehe nicht darum, einen Trend mitzumachen, vielmehr sei das Minilab eine „Investition in die Zukunft“. Dass sie seither viel mehr Zeit am Computer verbringen, ist für die beiden Fotografen, die im Grunde lieber durch den Sucher blicken, in Ordnung. „Wir nehmen die Mehrarbeit gerne in Kauf, weil wir darin unsere Zukunft sehen“, begründet Markus Berster, den die technische Entwicklung schon immer fasziniert hat. „Er ist innovativ. Er probiert Kameras und Techniken aus“, lobt ein Profifotograf, der gerade mit ein paar Vergrößerungswünschen durch die Tür kommt. Wegen diesem Hang zum technischen Tüfteln studierte der 30-jährige Bechener auch nicht – wie ursprünglich beabsichtigt – Fotodesign, sondern absolvierte lieber eine Lehre zum Foto-Einzelhandelskaufmann, bevor er bei Onkel Hans Joachim Molitor ins Fotogeschäft einstieg.

Das gab es damals in Kürten im Haus Wipperfürther Straße 386 schon lange. Hans Joachim Molitor – über dem Geschäft geboren und dort mit Frau Angelika immer noch gerne wohnend – hatte es 1983 vom Vater übernommen. Der hatte es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, ursprünglich als Drogerie. Später kamen Fotoentwicklung, Lebensmittel und ein Fußpflege-/ Kosmetikbereich dazu. Auch Hans Joachim Molitor lernte Drogist. „Aber es war mein Hobby zu fotografieren.“ Seine erste Kamera bekam er zur Kommunion. „Das war eine Agfa Rapid“, erinnert er sich schmunzelnd. Als er 1983 das Geschäft vom Vater übernahm, lagen Fotos voll im Trend. Die Zahlen stiegen. Trotzdem war es ihm damals „zu riskant, ein reines Fotogeschäft“ aufzumachen. Erst 1991 vollzog er diesen Schritt, nachdem er sich scheibchenweise von Drogerie- und Reformhausartikeln sowie der Fußpflege- und Kosmetikabteilung seiner Schwester Birgit (die bietet ihren Service seither mobil und in ihren Bechener Räumen an) getrennt hatte.

Am 1. Januar 1991 war das reine Fotogeschäft „Foto Molitor“ geboren. Neffe Markus jobbte dort öfters, um das Taschengeld aufzustocken. Als Zehnjähriger hatte er vom Onkel eine Nikon 7G geschenkt bekommen – Grundstein für seine Fotoleidenschaft. Als für ihn nach dem Abitur klar war, dass er in die Firma mit einsteigen wollte und 1994 die Ausbildung begann, war das zugleich der Startschuss für eine neue Ära: die digitale. „1994 haben wir mit der digitalen Bildbearbeitung angefangen“, erinnert sich Hans Joachim Molitor. Sie war damals noch ein zartes Pflänzchen, entwickelte sich erst. Foto Molitor stieg in das neue Zeitalter mit Apple-PC, Thermosublimationsdrucker und Scanner ein – und war in Kürten und Umgebung mit diesem neuen Service plötzlich Vorreiter. „Wir waren mit Sicherheit die ersten“, sagt Molitor. „Vielleicht gab’s sogar in Köln nicht mal jemanden, der das damals machte.“

Für die beiden Geschäftsführer war es daher konsequent, Ende 2004 mit dem Kauf des digitalen Minilabs diesen technischen Weg weiterzugehen. Mit Hilfe des Minilabs können nun eigenhändig Fotos von allen Medien erstellt werden: Kleinbildfilm, Dia, APS-Film, digitalen Speichermedien und Handys. Überdies bieten die Chefs eine kleine, feine Auswahl an Kameras, die ihre Vorliebe für Nikon-Produkte widerspiegelt. Allerdings beschaffen sie auch andere Fabrikate und das, was nicht gerade im Regal steht. Zudem gehört zum Sortiment das klassische Zubehör fürs Fotografieren: Fotoalben, Batterien, Kalender und Bilderrahmen, sogar Fotokopien. Einrahmungen gehören genauso zum Service wie das Bedrucken von T-Shirts, Tassen oder Schürzen. Es können auch Porträtfotos im hauseigenen Studio gemacht werden – vom Bewerbungs- bis zum Familienfoto. Aktfotos? „Selbstverständlich auch.“ Produktfotos sind ein weiterer Leistungsbereich – vom Gebiss über Schrauben bis zu kompletten Gebäuden – sowie Fototermine außer Haus. Digitale Retouche, Layout und Druckvorstufen runden die Palette ab, kleinere Druckaufträge für Visitenkarten, Flyer und Handzettel werden selbst ausgeführt, größere vermittelt. Wer möchte, bekommt so von der Aufnahme bis zum fertig gerahmten Bild oder gedruckten Prospekt bei Foto Molitor alles aus einer Hand.

Spaß am Fotografieren haben die beiden Chefs immer noch, die sich in ihrer unterschiedlichen Art – Berster mit zurückhaltend-verschmitzter Art, Molitor mit bärbeißig-bissigem Humor – im Geschäft ergänzen, unterstützt von einem kleinen Team. „Ich halte gern schöne Dinge fest“, begründet Hans Joachim Molitor seine Passion. „People und Natur am liebsten.“ Sein Neffe mag vor allem Produktfotos, Reportagefotos und „Porträts von interessanten Personen, die mehr wollen als hinsetzen, lächeln, abdrücken“. Seine Motivation? „Mich reizt es, ein Bild in der Hand zu haben und zu sehen, dass es toll geworden ist: weil es scharf geworden ist oder gerade unscharf, oder weil das Motiv toll ist oder das Licht oder die Farbkomposition.“ Denn das sei das Spannende beim Fotografieren: Das Auge sehe etwas und daraus entstehe eine Foto-Idee. Aber ob sie sich umsetzen lasse, sei nie hundertprozentig im voraus erkennbar.

Eins ist klar: Fotografieren liegt seit Jahren im Trend. „Es werden Kameras verkauft wie nie zuvor – digitale“, sagt Markus Berster. Damit verbunden ist allerdings eine Schattenseite: Es wird öfters geklickt, aber – da das Ergebnis am heimischen PC bereits erkennbar ist – seltener ein Papierfoto bestellt. Das hat drastische Auswirkungen auf die Einnahmen und so brauchte die Deutsche Post nicht lange bitten, als sie 2003 ihre Kürtener Filiale schließen und ihren Service in die Räume von Foto Molitor verlegen wollte. Jedoch, so Berster, mache sich inzwischen langsam eine gegenläufige Entwicklung bemerkbar. „Immer mehr Leute merken, dass es doch schöner ist, Fotos in der Hand als auf dem PC zu haben.“ Gerade wenn sie die Qualität „made by Molitor“ kennengelernt haben... 

Während das Minilab die letzten „Bild vom Bild“-Vergrößerungen auswirft zapft Hans Joachim Molitor Wasser in eine Rüsselkanne. Es ist „Fütterungszeit“. Das technische Wunderwerk muss regelmäßige Dosen von Papierentwickler, Bleichfixierer, Stabilisator und Leitungswasser erhalten. Damit die „Investition in die Zukunft“ auch tatsächlich morgen noch läuft. Wie dann der Markt aussieht? Keiner weiß es, nur eins ist für Markus Berster klar: „Fotos vom Handy – das wird mit Sicherheit ein großer Markt werden.“

Ute Glaser

„Foto Molitor“, Molitor&Berster GbR
Wipperfürther Straße 386
51515 Kürten
Tel.: (0 22 68) 62 55
Fax: (0 22 68) 33 95 
info@fotomolitor.de  
www.fotomolitor.de

   

 

E R L E B N I S B A D   „ S P L A S H “   U N D   „ B E R G I S C H E   W A L D S A U N A “ :   A U S   F A S T   N I C H T S   V I E L   M A C H E N

Kreativität regiert im Bad

„Ich dachte, das hätte zu!“ Erstaunt blickte der Kreisbürger die Autorin an, als er von den Recherchen zum Kürtener Erlebnisbad Splash hörte. „Ist das nicht verkauft? Sind da jetzt nicht Fische drin?“ Nur schwer mochte er glauben, dass Bad und dazugehörige Bergische Waldsauna wie eh und je geöffnet haben. Die Anekdote erstaunt Geschäftsführerin Gitta Lohrer-Meyer (leider) nicht. „Wir haben jeden Tag Anrufe: Habt ihr noch auf?“ Bis zu einem Dutzend seien es. „Und das ist ja nur die Spitze des Eisbergs.“ Öffentlich ausgetragene politische Diskussionen um das Bad verunsichern die Menschen und führen postwendend zu Besucherrückgängen – kongruent zu politischen Scharmützeln, vor allem, wenn sie in den Medien ausgetragen werden. So gingen, als das Bad im Herbst 2004 Kommunalwahlkampfthema wurde, sogar vorübergehend die Gastzahlen der Sauna zurück – erstmals in der über achtjährigen Badgeschichte. „Die dachten damals auch: Die hat jetzt zu.“ Doch das Gegenteil trifft zu: Bad und Sauna haben unverändert geöffnet. Täglich, durchgehend, an fast 365 Wochentagen im Jahr. Die politische Debatte außer acht lassend, wird an dieser Stelle ein Blick hinter die Türen des Wirtschaftsunternehmens geworfen, über dessen Portal ein „Herzlich willkommen“ grüßt. 

Auch die Stimme am Telefon meldet sich mit „Herzlich willkommen.“ Das sei mehr als ein Satz, erklärt Gitta Lohrer-Meyer. „Das ist unser Corporate Identity. Es wird nicht nur gesagt, sondern auch so gemeint.“ Die Geschäftsführerin setzt aufs Wohlfühlgefühl. „Unser Bad ist nicht sachlich, sondern gemütlich.“ Besucher honorierten das. „Ihr habt ein schnuckeliges Bad“ hieße es öfters. Gäste kämen nicht nur um zu schwimmen oder etwas für die Fitness zu tun, sondern um sich in angenehmer Atmosphäre zu entspannen: im Liegestuhl, im Strandkorb, am Tresen, beim Klönsnack, in Sauna oder Whirlpool und natürlich im warm temperierten Wasser. „Viele fühlen sich wohl, weil es so familiär ist.“

Dieses Image baut „die Chefin“, wie Mitarbeiter sie gern nennen, mit vielen Details aus. Kosten dürfen sie freilich fast nichts, denn das Budget ist äußerst knapp und 2005 mit der Anschaffung eines neuen Wassersaugers nahezu ausgeschöpft. Kreativität und die Tipps einer Feng Shui-Beraterin haben allerdings schon Erstaunliches bewirkt, wie der Blick ins Fotoalbum zeigt: Der Gastrobereich wirkt sympathischer, seit  sich die Theke dem griechisch-römischen Stil des Bades anpasste, seit blaue Säulen in warmen Tönen gestrichen wurden und seit das Essen unter Palmen serviert wird. Der einst so karge Eingang ist begrünt, die „Kasse“ heißt nun „Rezeption“. Es seien „so einfache Ideen“, die mit wenig Geld große Effekte erzielt hätten, sagt Gitta Lohrer-Meyer. „Alles, was wir haben, haben wir größtenteils nicht neu angeschafft, sondern umgenutzt.“ 

„Die Galerie ist jedes Wochenende vermietet“

Manche Investition ist natürlich kostenintensiver. So wurde die lichtdurchflutete Galerie im Badbereich – ausgestattet mit separatem Zugang, Toiletten, Theke und Teeküche – verglast, um dort Temperatur und Lautstärke zu drosseln. Die Chefin freut sich über das Ergebnis: „Der Raum ist momentan fast jedes Wochenende vermietet.“ Vor allem für Geburtstage und Partys. Unerfüllt blieb dagegen bisher der Wunsch, die Liegen-Terrasse des Saunagartens in einen Wintergarten zu verwandeln. Die Baugenehmigung sei zwar da, aber die 30 000 Euro Baukosten würden nicht bewilligt. Die 47-jährige Kürtenerin kennt das Bad durch und durch und hängt an ihm. „Ich könnte ein Buch über das Bad schreiben.“

Begonnen hatte sie ihre Karriere mit einer mittleren Beamtenlaufbahn bei der Kreisverwaltung in Bergisch Gladbach, von der sie nach 18 Jahren 1992 ins Kürtener Rathaus wechselte wo sie zuletzt als Gleichstellungsbeauftragte tätig war. 1997, ein Jahr nach der Splash-Eröffnung, wurde sie Assistentin der Bad-Geschäftsführung, später Betriebsleiterin und im Januar 1999 Geschäftsführerin. Zusätzlich zu dieser Arbeit holte sie nebenher ihr betriebwirtschaftliches Zertifikat nach. „Übernommen habe ich ein typisch holländisches, zweckmäßiges Bad. Sachlich“, erinnert sie sich. „Das Bad war sehr gut konzipiert.“ Im Schwimmbereich hat sie bis auf die Nachrüstung von Whirlpool- Wannen und Massagedüsen kaum etwas ändern müssen. Anders sah es mit dem Außen- und Saunabereich aus. Wo sich jetzt etwa 3000 Quadratmeter Liegerasen, Bachlauf, Beachvolleyballfeld und kleines Soccerfeld befinden, war – nichts. „Höchstens Schutt.“ Auch von der 70 Meter langen Schlehenhecke, die laut Akten bezahlt worden war – keine Spur. Die Chefin verschönte nicht nur das Außengelände, sondern sorgte an Sommertagen auch für einen kostenlosen Liegen- und Sonnenschirmverleih sowie die Öffnung des Kiosks, den sie mittlerweile durch gestalterische Kniffe zudem an den Saunagarten angeschlossen hat. Die Gastronomie wurde optimiert, die Palette erweitert – zum Beispiel durch „Kaffee zum Mitnehmen“.

Der Honigaufguss macht Furore

Die größten Veränderungen habe sie jedoch in dem rund 2500 großen Saunaareal durchgeführt, erzählt Gitta Lohrer- Meyer, selbst begeisterte Saunagängerin. Lieblos und schutzlos sei das Gelände gewesen. „Kein Baum, kein Strauch, trostlos, ohne Seele.“ Alte Fotos zeigen Betonmauern, Lattenzäune, weiß geflieste Außendusche, morsche Lattenwege und einen Teich ohne Bewuchs. „Wir haben die Saunalandschaft in die Bergische Landschaft integriert“ – und dazu den Namen „Bergische Waldsauna“ samt Logo kreiert. Fliesen und Holz wurden durch Grauwacke ersetzt, Ebenen geschaffen, Begrenzungen begrünt, der Teich bepflanzt. Stammgäste spendeten. „Wir haben keinen Fisch gekauft“, sagt Gitta Lohrer-Meyer stolz, die Schilf von zuhause beisteuerte. Die Saunen selbst waren gut, wurden jedoch zum Teil umgebaut: eine Eventsauna mit stündlichen Aufgüssen von 12 bis 22 Uhr entstand, die Dampfsauna erhielt Granitverkleidung und Sternenhimmel und macht nun Furore auch durch ihren Honigaufguss. Neu entstanden Ruhehaus, Kaminecke, Massage- und Kosmetikbereich und 2004 die Fässchen-Sauna, die aussieht, wie sie heißt und für Gruppen bis zu sechs Personen sogar mietbar ist.

„Im Vergleich zu anderen Bädern bieten wir sehr viel mit wenig Mitarbeitern“, sagt Gitta Lohrer-Meyer, die von 18 Angestellten und 50 bis 60 Aushilfen unterstützt wird – etwa ein Viertel weniger als vor acht Jahren. Speziell der Kursbereich ist weit gespannt und von Jahr zu Jahr steigend. „Wir haben ihn sehr vergrößert.“ Schwimmlern-Kurse sind nur noch ein Baustein neben Aquajogging, Aquakickboxing, Aqua-Fit für Mollige ... Seit 2004 im Programm und sehr gut angenommen: die Baby- und Kleinkindsauna, für die Mitarbeiter extra ausgebildet werden. Ganz neu seit März ist ein Bindegewebskurs im Kampf gegen Cellulitis. Dass all dies von den Mitarbeitern bewältigt wird, hängt von ihrer Flexibilität ab. „Multifunktionalität steht bei uns im Vordergrund“, sagt die Chefin. So ist der Sanitär- und Heizungsinstallateur auch als Badeaufsicht qualifiziert, wer an der Kasse sitzt, wechselt mal in den Service, die Kellnerin mit Maltalent gestaltet Reklametafeln und Männer mit handwerklichem Geschick verlegen Leitungen oder schachten aus. Gerade entstehen so in Eigenarbeit fünf Stellplätze an der Sülz für Wohnmobile. „Das war eine Idee des Bürgermeisters.“

Mitarbeitermotivation durch Tantiemesystem

Ist die Chefin auch multifunktional? „Ich sowieso.“ Sie, die früher auch mal Taxi fuhr und in der Gastronomie jobbte, hilft gern im Service, macht Fotos, entwirft Werbematerial, arbeitet ab und zu in der Technik, nimmt höchstpersönlich an hauseigenen Angeboten teil oder verlässt ihr Büro, um „mit Leidenschaft“ Führungen zu machen („am allerliebsten“ für Kindergärten und Senioren). „Ich mache das gerne. Ich habe den Kontakt zu Menschen so gern. Das ist für mich das Wichtigste.“ Zudem hat ihr vielseitiger Einsatz einen großen Nutzen: „Dadurch kann ich viele Sachen verbessern, weil ich sie aus der Praxis kenne. Außerdem: Mir erzählen die Leute alles.“

Mit ihrer Kreativität hat sich die 47-Jährige zu Seele und Motor des Bades entwickelt, ständig bereit, mit Die Außenbecken, davon eines mit Natursole, gehören zu den Attraktionen der Badelandschaft. 

 

 neuen Wegen das Bad zu stärken, den Service zu verbessern und Gäste zu gewinnen. Sie hat das Badshop eingerichtet, Tanz-Events wie Single Party und Mallorca Beach Party (die nächste am 2. Juli) mit bis zu 2400 Gästen ins Leben gerufen, die Internetseite zu einer stets aktuellen Info-Plattform entwickelt, Tarifsystem und Öffnungszeiten übersichtlich gestaltet sowie die Mitternachtssauna eingeführt (freitags bis 1 Uhr geöffnet). Sie schuf die Feriendauerkarte für Kinder und Jugendliche, den Mondscheinpreis ab 18 Uhr und den Guten-Morgen-Club mit rund 300 Mitgliedern für alle, die von 10 bis 13 Uhr ins Nass möchten. Ein Drei-Monats- Flyer mit immer neuen Angeboten demonstriert seit kurzem Aktualität und „Wir haben geöffnet“, und demnächst soll das Pelikan-Maskottchen mehr in den Vordergrund treten, um dies und noch mehr sympathisch zu begleiten.

Um all dies trotz Gehaltsstagnation mit engagierten Mitarbeitern zu realisieren, greift seit Januar ein neues Tantiemesystem. „Das habe ich gemeinsam mit einer Unternehmensberatung erarbeitet“, erläutert Gitta Lohrer-Meyer  Kerngedanke: Zusätzlich zum Gehalt kann jeder Mitarbeiter monatlich etwas dazuverdienen. Berechnet wird die Tantieme für verschiedene Arbeitsbereiche aus Faktoren wie Besucherzahl, Gastro Umsatz, Krankheitstage, Wareneinsatz, Bewertung durch Besucher und ähnlichem. „Ich finde das sehr motivierend für Mitarbeiter.“ Und das Motto „Herzlich willkommen“ soll dadurch noch mehr gelebt werden. Sie selbst hieß unlängst einen ganz ungewöhnlichen Gast willkommen: einen Vertreter der „Who is Who“, Ausgabe Deutschland. „Ich habe keine Ahnung, wer mich empfohlen hat. Aber ich bin in der Ausgabe 2006.“ Vielleicht, weil sie es trotz ungünstiger Umstände geschafft hat, den Wirtschaftsplan einzuhalten?

Ute Glaser

Kontakt:
Splash Bad GmbH
Broch 8
51515 Kürten
Tel.: (0 22 68) 9 03 19
Fax: (0 22 68) 9 03 18
info@splash-kuerten.de  
www.splash-kuerten.de

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