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Mittwoch, 20. August 2003
    

  

Abiturienten begreifen Freiwilligen Friedensdienst als große Chance

Von Ute Glaser

24 Jugendliche aus dem Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland treten ihren "Friedensdienst" an. Zwei von ihnen kommen aus Bergisch Gladbach. Eigentlich war Kapstadt ihr Traum. Aber jetzt geht Kai Hensel (20) nach London und David Harbeke (19) nach Paris.

Ein Jahr lang arbeiten die beiden Bergisch Gladbacher Abiturienten unentgeltlich im Rahmen des Freiwilligen Friedensdienstes, den die Evangelische Kirche im Rheinland (EKiR) organisiert. Kai wird an der deutschsprachigen Schule Kinder im Förderunterricht begleiten. David wird Kindern und Jugendlichen bei der Eingliederung helfen, die aus Bürgerkriegsgebieten ohne Eltern nach Frankreich geflüchtet sind. "Im Moment bin ich einfach nur aufgeregt", gesteht David etwas wibbelig; Kai setzt grinsend hinzu: "Ich denke jetzt schon: Zieh ich das noch mal an oder tu ich es in die Wäsche?" Die einzigen aus dem Kreis Die beiden Abiturienten des Nicolaus-Cusanus-Gymnasiums sind im Bereich des Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch und des Stadtkirchenverbands Köln die einzigen, die dieses Jahr am Freiwilligen Friedensdienst der Evangelischen Kirche im Rheinland teilnehmen.

Insgesamt treten ihn drei junge Frauen und 21 junge Männer an. Ihre Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Bis zu ihrem Aufbruch müssen sie nicht nur überlegen, was sie in den Koffer packen, sondern auch am Vorbereitungsprogramm der EKiR teilnehmen. Dazu gehörten eine zehntägige Schulung in Köln und ein zehntägiges Workcamp in Tschechien, wo es ein Kloster zu renovieren gilt. Alle Friedensdienstler lernten sich dabei kennen, bevor sie sich in alle Welt zerstreuen. Dass 24 junge Menschen diesen einjährigen Einsatz beginnen, sei "eine Durchschnittszahl", sagt Ralf Ramacher, Landespfarrer für Zivil- und Freiwilligen Dienst. Sie hätten die "Chance, die eigenen Fähigkeiten und Grenzen zu entdecken und dabei neue Formen kulturellen Zusammenlebens einzuüben". Ihr Einsatz sei "ein aktiver Schritt zur Völkerverständigung", denn die Kontakte "verändern das Bewusstsein und die Einstellungen aller Beteiligter". Dadurch seien sie "ein grundlegender Beitrag zu einem vorurteils- und gewaltfreien Miteinander". Überbrückt werden dabei nicht nur Ländergrenzen, sondern auch Konfessionen: Kai ist evangelisch, David katholisch.

Die Motivation der Friedensdienstler ist meistens ähnlich. Sie wollen sich persönlich weiterentwickeln und sind von der Fremde fasziniert. Kai lässt sich das Freiwilligenjahr zudem als Zivildienstzeit anerkennen. Dabei ist ihm egal, dass er dann zwei Monate länger kostenlos arbeitet als die "Zivis", die im Inland bleiben. Kai freut sich auf die fremdartigen Erlebnisse: "Man wächst hier in der Gesellschaft auf und kriegt nie etwas Anderes mit. Es kann den Charakter nur positiv prägen, wenn man als Wohlstandskind mal das andere Extrem kennen lernt." David ist wegen einer Allergie ausgemustert worden und absolviert das Auslandsjahr total freiwillig. "Mal hier wegzukommen, ist ein wichtiger eigener Schritt. Ich werde daraus viel an Erfahrung für mein Leben ziehen", ist er sich sicher. Voller Eifer bewarben sich die beiden Schüler zunächst unabhängig voneinander für das Auslandsjahr. Das sei viel Schreibarbeit gewesen und habe auch Frust gebracht, erzählen sie. Denn die Vorlaufzeiten für Bewerbungen seien bei den Organisationen sehr unterschiedlich und die Plätze rar. In einem Fall habe es für 40 Plätze 700 Bewerber gegeben, berichtet Kai.

Unerwartete Unterstützung bekamen die jungen Männer von Pfarrer Thomas Werner, der Kai vor Jahren an der Gladbacher Gnadenkirche konfirmiert hatte. "Der ist super", kommt von Kai uneingeschränkte Dankbarkeit. Denn als der Pfarrer vom Auslandswunsch erfuhr, marschierte er im Frühjahr während seiner privaten Südafrika-Reise ins Christian-Bernard-Memorial-Hospital in Kapstadt, um für die Gladbacher Jugendlichen dort zwei Arbeitsmöglichkeiten zu beschaffen. Außerdem knüpfte er die Verbindung zur Evangelischen Kirche im Rheinland als Trägerin des Freiwilligen Friedensdienstes. "Das war für mich ein Novum", sagt er. Denn bis dahin hatte er noch nie mit jungen Leuten zu tun, die ein Auslandsjahr absolvieren wollten. "Ich finde es gut in diesen Zeiten, wenn junge Leute sich in der Welt umgucken", begründet der Pfarrer sein Engagement. "Die Regel ist: Die jungen Männer machen ihren Schulabschluss hier im Bergischen, den Zivildienst hier im Bergischen und die Ausbildung auch hier - oder vielleicht noch in Köln. Die jungen Leute sind heute vielfach bequem geworden." Da würde das Auto der eigenen Bude vorgezogen und weiter bei Muttern gegessen und die Wäsche abgegeben.

Er selbst, in Essen aufgewachsen, habe in Heidelberg, Berlin, Bonn und Köln seine Ausbildung gemacht und davon "absolut" profitiert. "Das stärkt einfach." Zudem schule es Menschenkenntnis und -verständnis.

Obwohl das Hospital in Kapstadt dem Pfarrer zwei Stellen für die Gladbacher Jugendlichen zusagte und Mails hin und her gingen, machte es im Juni plötzlich einen Rückzieher. "Aus heiterem Himmel", kommentiert David immer noch etwas enttäuscht. Doch er und Kai hatten Glück: Ralf Ramacher besorgte ihnen kurzfristig die Stellen in Paris und London als Ersatz. "Da die Leute motiviert waren, haben wir das kurzgeschlossen." "Es ist cool auf jeden Fall", meint Kai. "Keine Notlösung", setzt David hinzu. Aber Kapstadt bleibt ihr Wunschziel. "Jetzt werden wir da eben studieren." David Wirtschaftsingenieurwesen, Kai Medizin. Logisch, dass dann der Besuch beim Christian-Bernard-Memorial-Hospital nachgeholt wird.

www.zivildienstseelsorge.de 

www.friedensdienst.de 

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