seit Januar 2004 bei www.rtl.de
Vom
Model-Sieg zur Spitze
Heidi Klum exklusiv: Wie alles bei RTL anfing...
Erst mal muss ich hier einen herzlichen Glückwunsch loswerden. 20
Jahre RTL! Da war ich gerade zehn Jahre alt. Ich weiß noch, wie sensationell es
war, plötzlich einen privaten Fernsehsender zu haben. Die Leute zerrissen sich
das Maul über das Programm. Und inzwischen? Wenn ich bei meinen Eltern in
Bergisch Gladbach bin und deutsche Sendungen schaue, kann ich zwischen öffentlich-rechtlichem
und privatem Fernsehen eigentlich keinen großen Unterschied mehr merken.
Wer weiß, ob ich ohne RTL heute da stände, wo
ich stehe. Denn da habe ich meinen ersten Schritt auf meinem Weg als Model
gemacht: als ich in der Sendung „Gottschalk“ bei einem Model-Wettbewerb
siegte. Ich hatte nie im Leben daran gedacht, professionelles Model zu werden!
Mode-Design wollte ich nach der Schule lernen. Aber meine Freundin Karin überredete
mich an einem langweiligen Winternachmittag, diesen Coupon einzuschicken, den
wir in einer Zeitschrift entdeckt hatten. 1991 war das. Karin meinte, das wäre
was für mich. Und wie das eben so ist: Mit Gekicher habe ich das Ding ausgefüllt
und mit einem Urlaubsfoto losgeschickt.
Meine Eltern hatten keine Ahnung davon. Sie wussten auch nicht, dass ich fünf
Stunden nach München zum Casting fuhr, als sie in Hongkong Ferien machten. Sie
kamen wieder und ich hatte alles schon hinter mir. Dann ging es zum Wettbewerb.
Es war alles sehr aufregend!
Heidi Klum: "So war Model-Wettbewerb bei Thomas
Gottschalk"
Ich weiß gar nicht, ob sich jemand daran
erinnert: Dieser Wettbewerb hieß „Model 92“ und lief monatelang bei RTL. Über
25 000 Mädchen bewarben sich. Nach und nach wurden 45 von Thomas Gottschalk in
seiner Abendshow vorgestellt. Und ich war eine von ihnen! Das Publikum stimmte
ab. Es wählte die Wochensiegerin und die Monatssiegerin.
Ich im Fernsehen! Bei Thomas Gottschalk auch noch. Ich war super aufgeregt, als
ich drankam. Das war ziemlich gegen Ende des Wettbewerbs, am 15. April. Was ich
nie gedacht hatte, passierte: Die Leute wählten mich zur Wochensiegerin. Eine
Woche später war ich dann plötzlich auch Monatssiegerin und zog ins Finale
ein. Unglaublich.
Den 29. April 1992 werde ich nie vergessen. Er veränderte mein Leben. Mit fünf
Mädchen stand ich auf der Bühne im Finale. Man hatte uns angezogen, gestylt
und geschminkt. Ich bekam sogar Locken. Ich fand es toll, in so professionellen
Händen zu sein. Verschiedene Outfits waren für uns ausgesucht worden und ich
weiß noch, wie ich etwas unbeholfen in Robe und hohen Schuhen über die Bühne
schritt. Überhaupt: Wenn ich das Video von damals sehe, muss ich ein bisschen
schmunzeln, weil ich soooo lieb aussah. Dabei war ich nicht der Unschuldsengel,
der ich zu sein scheine. Ich war damals einfach nur sehr schüchtern vor der
Kamera und habe ja auch kaum etwas gesagt.
Am Ende war ich die Contest-Siegerin. Das überraschte und freute mich.
Aber zugegeben – ich war auch ein bisschen enttäuscht. Ich hatte mir nämlich
den roten Opel Corsa erhofft, den die Finalistinnen bekamen. Als Siegerin
erhielt ich dagegen einen Garantie-Vertrag als Model über 300 000 Dollar. Das
war damals die höchste Summe, die es jemals bei einem Modelwettbewerb gegeben
hatte. Umgerechnet machte das über 500 000 Mark damals, also über 250 000
Euro.
Übrigens: Der Traum vom roten Opel Corsa hat sich nie erfüllt. Mein erstes
Auto war ein DAF, später fuhr ich einen alten Mercedes und heute habe ich einen
alten Buick von 1967 und einen VW Touareg.
Heidi Klum: "Mein Weg zur Spitze"
Als Schülerin hatte ich schon mal für eine Bäcker-Zeitschrift
posiert. Das hatte Spaß gemacht. Mit dem Vertrag in der Tasche, wollte ich die
Chance unbedingt nutzen. Allerdings war für mich klar: erst Abitur, dann
Modeln. Meine Ausbildungsstelle in Düsseldorf zur Mode-Designerin sagte ich ab
und sprach stattdessen bei Fotografen vor. Das war anfangs sehr frustrierend.
Die ewigen Vorstellungstermine und die ewigen Absagen – das war echt hart.
Dazu kamen Agentur-Probleme. Förderung gab’s praktisch nicht und ich musste
auch noch hinter meinem Geld herlaufen.
Zum Glück hatte ich keine Illusionen. Ich habe aus jedem Tag, den ich hatte,
etwas gemacht. Und ich mache es heute noch genauso. Ich habe einfach nicht
aufgegeben. Wenn man mich fragt, was mir am meisten auf meinem Weg geholfen hat,
dann sind das wohl mein Wille und mein Ehrgeiz. Ohne die hätte ich es in
Amerika auch nicht geschafft. New York ist nicht für jeden etwas und als ich
dort 1993 ankam, war ich gerade mal 20 Jahre alt. Ich habe die Kakerlaken in
meinem ersten Manhattaner Appartement in Kauf genommen und unter die undichten
Stellen im Dach einfach ein Pöttchen gestellt.
Zum Glück hatte ich meine Eltern. Meine Mutter, die mich immer angefeuert hat,
und mein Vater, der mich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt hat.
In den ersten Jahren habe ich wohl täglich mit ihnen telefoniert. Zum Start
hatten sie mir übrigens einen Anwalt und eine weltweite Versicherungspolice
besorgt, zwei Dinge, die ich aus heutiger Sicht nur jedem empfehlen kann, der
auch diesen Weg gehen will.
Abbringen wollte mich von meinem Weg keiner, aber es gab viele Einflüsterer.
Die einen sagten, ich solle mir die Haare abschneiden, die anderen sagten, ich
solle dünner werden. Darum habe ich mich einfach nicht gekümmert. Vom
Verstellen halte ich nichts. Ich wollte immer ich bleiben. Und so bin ich das,
was viele „das nette Mädchen von nebenan“ nennen, geblieben. Heute denke
ich, dass das ein wichtiger Grund für meinen Erfolg war.
Heidi Klum: "Meine Karriere und meine Firma"
Als mich in Deutschland noch kaum einer kannte,
war ich in den USA bereits stark ausgebucht. Ich hatte Glück, dass mein Typ
gefragt war und ankam. Ein Meilenstein war für mich, dass ich im Frühjahr 1997
zum ersten Mal bei der Victoria’s Secret Show mitlaufen durfte. Das war meine
Laufsteg-Premiere! Ich hatte dafür in meinem Appartement ordentlich geübt –
mit den hochhackigsten Schuhen, die ich in New York finden konnte.
Ein Jahr später hatte ich dann meinen internationalen Durchbruch: als
Cover-Girl der „Sports Illustrated Swimsuit Issue“. 55 Millionen Leser hat
sie und ich war das erste deutsche Titelmädchen. Danach bekam ich zunehmend
Angebote aus anderen Ecken der Welt, auch aus Deutschland. Das fand ich toll und
es ging Hand in Hand mit der Entwicklung meiner Heidi Klum GmbH. Gegründet
hatte ich sie schon 1996, auch meinen Namen ließ ich schon damals schützen.
„Man weiß nie, wozu das gut ist“, dachte ich damals. Und heute bin ich sehr
froh darüber.
Die Firma macht mir großen Spaß. Mein eigener Boss zu sein und Eigenes zu
entwickeln, ist herrlich. Da kann ich meine Kreativität ausleben und Neues
probieren. Mein Vater hilft mir bei den geschäftlichen Dingen viel, vor allem
bei der Positionierung der Marke Heidi Klum auf dem europäischen Markt. Weil
ich natürlich nicht alles kann, suche ich mir bei der Produktentwicklung
kompetente Partner. Das klappt bisher super. So bin ich stolz auf meine
Duftserie, meine Birkenstock-Modelle und die Schmuckstücke mit Mouawad. Ganz
neu gibt es jetzt bei Otto eine umfangreiche Mode-Kollektion von mir. Eine
ausgefallene Lederjacke gehört genauso dazu wie ein kuscheliger Pyjama, auch
eine trendige Jeans gibt’s und ein tolles Mini-Kleid. Das Kleid hatte ich bei
der Vorstellung der Kollektion in Hamburg direkt selbst an!
Heidi Klum: "Meine Zukunftspläne"
Was ich derzeit außer meinem Baby und einem
Buch ausbrüte, verrate ich noch nicht. Nur so viel: Es ist etwas zum Naschen!
Außerdem soll der Kinderfilm „Ella enchanted“, in dem ich eine Riesin
spiele, im Kino anlaufen. Ebenfalls auf die Leinwand wird „The Life and Death
of Peter Sellers“ kommen, in dem ich Ursula Andress bin. Im Februar soll nun
endlich auch das 007-Videospiel erscheinen, bei dem ich der virtuellen
Bond-Gegenspielerin Katya Nadanova Stimme und Charakter gegeben habe.
Wie ich all diese Aktivitäten und das Modeln demnächst als Mutter „unter
einen Hut“ bringe? Das wird sich schon finden. Jedenfalls wünsche ich mir vor
allem eine gesunde und glückliche Familie – mit dem neuen Mitglied, auf das
alle in der Familie und meine Freunde schon warten. Alles andere ist auch
wichtig, aber das wird, was es wird. Und in zehn Jahren, wenn RTL 30-jähriges
Jubiläum feiert, möchte ich eine stolze Mutter sein!
Text von Heidi Klums Kolumne: Ute Glaser & Heidi Klum
^
|